Georgien Teil 1 – der schöne letzte Zipfel Europas

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02.05.2018 – Von der kleinen Kaukasusrepublik Georgien, geographisch und gern auch im Herzen der letzte Zipfel Europas, hatten wir besonders durch Thomas‘ Onkel, der das Land vor einigen Jahren bereist hatte, viel Positives gehört. Von tollen Bergen, günstigen Preisen und einem Land, das den Tourismus erst langsam für sich entdeckte.

Der Grenzübergang Türkei – Georgien wurde durch die Türkei verkompliziert: hier durfte nur eine Person im Auto bleiben und alle Anderen mussten zu Fuß die Grenze überschreiten. So kam es das Franzi schon lange vor Thomas in Georgien ankam, da das Auto mehrmals kontrolliert wurde. In Georgien wehte uns sofort das Selbstverständnis Georgiens entgegen: vor jedem öffentlichen Gebäude wehte stolz die EU-Fahne. Das Land selbst ist jedoch garnicht in der EU und wird es aufgrund der Konflikte um abtrünnige Gebiete mit Russland wohl auch so schnell nicht werden – und doch macht das Land den Eindruck als wäre es europäischer als so manches echtes Mitgliedsland.

An der steinigen Schwarzmeerküste schlugen wir kurz nach der Grenze unser erstes Lager im neuen Land auf und bekamen ein lautes Ständchen von georgischen Fröschen zu hören, eine Fledermaus (was auch immer die am Strand macht) nistete sich in unserem Ersatzreifen ein.

Batumi, die gleich an der Grenze befindliche Großstadt, ist eine Mischung zwischen glitzerndem Las Vegas und bröckeliger Sowjet-Tristes. Durch Fördergelder aus Deutschland wurde die Kanalisation errichtet und erster Tourismus setzte ein, nachdem sämtliche Abwässer nicht direkt im Meer landeten. So gibt es jetzt eine aufgemotzte Strandpromenade mit leerstehenden Hotelzimmern und einigen, vor allem durch Türken genutzten, Casinos – doch dahinter verbleibt die wahre Stadt im alten Kleid.

Wir nutzen das Angebot von extrem günstigen Unterkünften in der Stadt und kehrten in eine kleine Pension ein, deren Waschmaschine wir schamlos ausnutzen – einen Waschsalon gab es weder in der Türkei noch in Georgien.

Am Abend erkunden wir bei einem Spaziergang die Stadt, doch diese war weiterhin recht verwaist und auch die Restaurants glänzten mit leeren Tischen. Schließlich fanden wir an einer kleinen Straße die Imbissbuden, zu denen wohl die Lokalbevölkerung geht: es gab leckere Würstchen im Teigmantel.

Wir fuhren weiter entlang der Schwarzmeerküste und machten einen kurzen Zwischenstopp an der Burgruine Petra: doch neben einigen Mauerresten war nicht viel zu sehen. Auffallend und auch schön war jedoch, dass auf dem höchsten Punkt der Burg ein Kreuz aufgestellt war. Es stehen auffallend viele Kreuze an den Straßenrändern: ob als Antwort auf die Türkei ist ungewiss – doch uns sind sie als Boten des christlichen Landes sehr willkommen.

In Poti haben wir den ersten Kontakt mit der Polizei: diese bedeutet uns am Straßenrand anzuhalten. Der Beamte konnte kein Englisch und reicht Thomas schließlich sein Telefon: man fragt nach was wir suchen und bietet uns an die Nacht in der Polizeistation zu verbringen. Wir wollten nur zum Supermarkt und lehnen Dankend das Angebot ab – mit Polizeieskorte werden wir bis zum Supermarkt geleitet. Unseren Übernachtungsplatz beziehen wir neben dem Leuchtturm der Stadt und da wir gehört hatten man können hinein, wenn man bei der ihn betreibenden Marine-Behörde lieb nachfragte, versuchen wir unser Glück: und tatsächlich dürfen wir den Leuchtturm besichtigen. Unser Führer versucht uns mit einfachem Russisch etwas über den Turm zu erklären und mit dem Einsatz von Händen und Füßen verstehen wir Ihn ganz gut. Oben angekommen hat man eine schöne Aussicht auf das Schwarze Meer und die kleine Bucht an der wir parken und in der es sogar Delphine gibt.

Auf der Fahrt nach Sugdidi machten wir Halt beim 2013 neu errichteten Sitz des georgischen Patriarchen. Die Anlage ist eher schlicht und auch das Kircheninnere ist karg eingerichtet. Alles in allem sieht es eher wie ein besseres Bauerngut aus. In Sugdidi besuchten wir den Dadiani Palast – das Wohnhaus der hier einst herrschenden Familie, welches heute zu einem Museum mit den Schätzen der Familie umfunktioniert wurde. Wir waren die einzigen Besucher und vor uns wurde in jedem Raum das Licht angemacht und danach wieder aus. Der schöne Parkettfußboden hatte deutlich unter der Museumsnutzung gelitten (in Deutschland hätte man da einen Teppich drübergelegt) und auch die restliche Einrichtung sah sehr mitgenommen aus. Ein besonderes Augenmerk unseres Reiseführers lag auf dem sogenannten „Napoleonzimmer“ – ein entfernter Verwandter hatte einst in die Dadiani-Familie eingeheiratet und verschiedene Erbstücke mitgebracht, die nun neben den anderen Besitztümern ausgestellt wurden. Alles in allem war der besonders günstige Eintritt (60 Cent) dem Ausstellungsangebot angemessen gewesen.

Wir fuhren in die Berge und die Fahrt wurde zu einer Slalomfahrt: einstige kleine Asphaltlöcher waren großzügig, rechteckig ausgeschnitten worden und warteten auf ihre Verfüllung – doch die hatte bisher nicht stattgefunden (wird wohl auch nie?) und so musste der jeweilige Fahrer ruckartig diesen ausweichen: denn die ziemlich tiefen Löcher kamen auch gern mal hinter einer Kurve. Später hörte der Straßenbelag ganz auf und teilweise reduziert sich die Straße nur noch auf eine Spur – aber es wurde auch viel gebaut: vielleicht waren dies noch die Spuren des Winters.

Wir bogen von der Hauptstraße ab und folgten der Dreckpiste ein Tal hinauf. Links und rechts des Weges zieht sich das Dorf Becho entlang, dessen tierische Bewohner wie Schweine, Kühe und Pferde regelmäßig den Weg versperren.

Wir fuhren bis zum Ende des Weges und zogen weiter mit den Wanderschuhen: unser Ziel war der Ushba Gletscher. Doch zunächst ging es durch das frühlingshafte Tal, später kamen die ersten Schneefelder, bis wir schließlich im Wald nur noch auf einer dicken Schneeschicht stapften. Immerhin konnten wir so einfach den Spuren unserer Vorgänger folgen – doch diese endeten genau wie wir vor der eingestürzten Brücke: hier hatte wohl das Schmelzwasser zu viel Kraft gehabt. Ende Gelände.

Auf dem Weg nach Mestia, der Hauptstadt der nordwestlichen Bergregion Swanetien und Zentrum des Tourismus der Region, sahen wir die ersten Wehrtürme am Wegesrand: diese wurden einst als Schutz vor Raubüberfällen errichtet und harren seit mehreren Jahrhunderten in den Bergen. In Mestia standen besonders viele und noch gut erhaltene Türme.

Von hier aus folgten wir dem Tal und starten unseren zweiten Versuch einen Gletscher zu sehen. Zunächst ist der Weg noch gut erkennbar doch teils durch den Schnee müssen wir uns auf gut Glück durchschlagen. Am Ende schaffen wir es diesmal und können den Gletscher – oder zumindest seine Überreste bewundern: die vorgeschobenen Geröllfelder zeigen an, wie groß einst der Gletscher war und wie weit er sich schon zurückgezogen hat. Zwei ältere Deutsche Männer (aus Rostock und Berlin), die mit Pickup und Anhänger unterwegs waren und die wir bereits eher schonmal getroffen hatten, trafen wir hier erneut und plauderten eine Weile. Sie fahren eine ähnliche Strecke wie wir, nur lassen den Iran aus und setzen stattdessen mit dem Schiff übers Kaspische Meer – und weiter soll es bis in die Mongolei gehen.

Nach Mestia fuhren wir noch höher in die Berge, die Asphaltstraße wich einer Betonspur und irgendwann hörte auch diese auf dem Weg nach Ushguli auf: dem höchsten ganzjährlich bewohnten Dorf Europas auf 2100m. Hier lag an den schattigen Plätzen noch hoch der Schnee dessen Tauwasser die Wege in matschige Pfützen verwandelte. Es gab erstaunlich viele Touristen und für diese Unterkünfte und Cafes – vermutlich eine lukrative Einnahmequelle, denn ansonsten bleibt nur der eigene Garten oder das Weiden von Vieh als Arbeit übrig.

In Ushguli stehen die Wehrtürme dicht an dicht und manche schon seit dem 8 Jahrhundert. Wir können einen dieser Türme weiter talwärts besichtigen, den „Tower of Love“: diesen hatten zwei Liebende errichtet, die aus zwei verschiedenen, „verfeindeten“ Dörfern kamen und in keinem mehr willkommen waren – so ein bisschen wie Romeo&Julia, nur mit Happy End. Insgesamt gab es 3 Zwischenböden die durch Leitern miteinander verbunden waren, aus kleinen Fenstern konnte man direkt auf den nebenliegenden Fluss und die Berge schauen.

Durch den Schnee war es uns nicht möglich über die Berge zu fahren und so mussten wir den ganzen Weg wieder zurück. Der Vorderreifen sah schon wieder gefährlich platt aus, hielt aber die Luft lang genug nach dem Aufpumpen, so dass wir ihn vorerst nicht wechselten. Der einzige Mechaniker Mestias war nicht da und so fuhren wir mit dem Rad bis nach Sugdidi zurück. Hier lernten wir eine wichtige Regel: fahre nur zu Reifenwechselbuden die auch deine Reifengröße vor der Tür liegen haben – dieser hatte nur normale PKW-Reifen, aber nahm den Auftrag nach anfänglichen Verständigungsproblemen entgegen. Am Ende zeigte ihnen Thomas, wie man den Reifen von der Felge lösen muss – was für Pfuscher. Es war ein neues kleines Loch im Schlauch und auch dieses konnte geklebt werden, obwohl uns ein neuer Schlauch lieber gewesen wäre – hierfür reichten aber weder unsere noch die Russischkenntnisse des Georgen.

Wir fuhren über kleine Landstraßen durch fruchtbare Felder, auch hier sprangen in den Dörfern sämtliche Haus-und Nutztiere auf der Straße umher. Wir suchten uns einen Übernachtungsplatz an einem vermeintlich einsamen Feldweg – bis ein älterer Herr wild gestikulierend auf uns zu kam. Zunächst erschien er uns als ein eher unsympathischer Typ der partout nicht verstehen will, dass Franzi sein schnelles Russisch nicht verstehen kann. Irgendwie scheinen wir dann doch in Ordnung zu sein und er zieht um die nächste Ecke, wo im Gebüsch sein Haus versteckt steht, davon. Aber nur um kurz danach mit einer großen Platte mit selbstgemachtem Brot, Käse und Kuchen sowie einer Flasche selbstgebrannten Vodkas zu erscheinen. Wir verbringen den Abend bei leckerem Essen vor dem Auto und unterhalten uns so gut wie es eben geht (über seinen Beruf als Lehrer, seine 3 Kinder und Politik – obwohl wir davon am wenigsten verstanden).

Der Okatse Canyon lockte uns mit einem atemberaubenden Bild eines Steges entlang einer tiefen Schlucht in unserem Reiseführer. Doch um zu diesem zu gelangen ging es nach dem Ticketverkauf zunächst 2km durch einen schönen Park, angelegt mit Bäumen, breiten Wiesen und duftenden Sträuchern. Der eigentliche Weg entlang des Canyons war dann verhältnismäßig kurz, aber trotz allem Sehenswert. Am Ende gab es eine weit über den Abgrund hineinragende Plattform, bis man dann wieder durch den Park zurücklaufen musste.

Folgte man der Straße noch weiter in die Berge kam man bis zum großen Wasserfall Kinchkha – eigentlich ein schönes Stück Natur: wäre diese nicht gerade gesperrt. Denn die Georgen erbauten gerade eine Besichtigungsplattform und hatten das Gelände darum großflächig abgezäunt – das Spektakel sollte es also nicht mehr kostenlos geben: wir waren enttäuscht. Doch dafür entdeckten wir, dass es neben den Wasserfällen einen tollen Fluss gab der sich für Canyoning anbot. Und so zogen wir am nächsten Morgen die Badesachen an und stapften los – zunächst oberhalb der Schlucht, doch von der kam man nicht mehr hinunter, daher dann direkt im Fluss den Berg hinauf. Beim Hinauflaufen ging es schließlich nicht mehr trockenen Fußes und wir mussten ins Wasser – gemeinerweise war das gleich eine Schwimmpartie im eiskalten Gebirgswasser und wir bis zum Hals nass. Zwar war es allgemein schon recht warm für Anfang Mai, aber im Schatten des engen Flusstales froren wir dann doch. Wir kamen bis zu einem ca. 10m hohen Wasserfall an dem es nicht vorbei ging und nahmen diesen als Start für unsere Tour zurück. Wir stürzten uns ins Wasser, sprangen von Felsbrocken in darunterliegende Wasserbecken und hatten sogar eine kleine Rutschpartie dabei – was für ein Spaß. So sollte die Natur sein.

An diesem Ort merkten wir aber auch wieder eines deutlich, was wir schon an vielen anderen Stellen der Reise bemerkt hatten: Tourismus macht die Schönheit jeder Gegend ein Stück weit kaputt. Wo man früher einen Wasserfall und seine Kaskaden, wild und unberührt, mitten in der Natur entdecken konnte, wird in wenigen Monaten eine blöde Glasplattform stehen. Die 5 EUR Eintritt schaffen vielleicht aber auch ein paar Jobs: Tourismus ist Segen und Fluch zugleich.

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