Iran Teil 1– „Welcome to Iran“

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20.05.2018 – Auf der Grenzbrücke zwischen Armenien und dem Iran schlugen unsere Herzen deutlich schneller als bei anderen Grenzübertritten. Zwar waren wir schon in so manches Land gefahren, doch keines hatte so einen schlechten Ruf wie der Iran. Immerhin hatten uns die Begegnungen mit anderen Reisenden davor beruhigen können, hatten Sie doch nur Positives erzählen können – aber aufgeregt waren wir trotzdem. Hinzu kam, beim Visum hatten wir gemogelt: beantragt man ein Visum mit eigenem Fahrzeug, so muss man nachweisen können eine Tour gebucht zu haben, beantragt man jedoch ohne Auto ist die Fortbewegung egal und das Visum ist ohne Probleme zu bekommen – und so hatten wir unser Auto verschwiegen.

Für unser Auto hatte Thomas im Vorhinein schon größeren Aufwand betreiben müssen, da der Iran das einzige Land auf unserer Route war die eine Absicherung verlangten: falls wir das Auto im Land verkaufen würden, falls es geklaut würde, falls es aus irgendeinem Grund nicht mehr das Land verlassen würde, so wollte der Iran quasi die Verkaufssteuern dafür erhalten. Daher brauchten wir ein „Carne de Passage“ – ausgestellt vom ADAC, der eben diese Summe absichert – auf Grundlage der von uns zuvor einbezahlten Kaution (Kaution ist ungefähr der Fahrzeugwert, was ziemlich hoch sein kann – außer bei so alten Kisten wie Unserer). Doch trotz dieser Zusatzdokumente verlief die Einreise problemlos, viele Zöllner sprachen ein bisschen Englisch und wir hatten nach rund 2h alles hinter uns.

Geschafft – wir sind im Iran. Der Iran hatte auf uns bei der Planung schon immer eine gewisse Faszination ausgeübt. Nur wenige Länder stehen so oft in negativen Schlagzeilen. Ein Land dessen offizielles Ziel es ist, Israel auszulöschen. Ein Land das, um dieses Ziel zu erreichen, wahrscheinlich versucht eine Atombombe und entsprechende Raketen zu entwickeln. Ein Land, bei dem nicht etwa Politiker das Land regieren, sondern sehr alte, konservative Geistliche die höchste Macht besitzen. Ein Land in dem Menschenrechte, Meinungssfreiheit und Co. nicht arg viel gelten, in dem die Jugendlichen an Aufständen gehindert werden sollen, indem man ihre Kommunikationsplatformen (u.a. WhatsApp, Telegram) verbietet. Ein Land dass mit Saudi Arabien um die Vorherrschaft im Mittleren Osten ringt und dabei auch Terrorgruppen unterstützt. Ein wirtschaftlich recht starkes, riesiges Land – so viele Einwohner wie Deutschland und flächenmäßig fast 5 mal so groß. Reist man in den Iran ein, bekommt man in den USA kein Kurzzeitvisum mehr (übrigens nicht erst seit Trump). Wir haben Bilder im Kopf von verschleierten Frauen, von Restriktion, von großen Wüsten, von Mullahas und Moscheen. Nun sind wir drin, nun können wir es selbst erleben.

Die Grenze war gut belebt und gleich danach konnten wir unsere restlichen Dram und einige US-Dollar zu einem guten Kurs umtauschen. Da der Iran und die USA kein so gutes Verhältnis zueinander haben funktionieren die üblichen Geldkarten wie Mastercard / Visacard nicht im Land und alles muss über Bargeldumtausch geregelt werden. Hinzukommt, dass der offizielle Bankumtauschkurs mit 1$ zu 41.000 Rial künstlich hoch gehalten wird und dadurch deutlich schlechter war als der Schwarzmarktkurs, wo man für 1$ ganze 60.000 Rial bekommt. Um diese Wertsteigerung von fast 50% zu erhalten, mussten wir also auf dem Schwarzmarkt tauschen. Für uns etwas ganz Neues – aber ist vollkommen üblich.
Doch noch nicht genug der Beschwerlichkeiten: im Iran sind die Treibstoffe Diesel und Benzin unglaublich günstig, sodass jeder Bürger nur ein zugewiesenes Kontingent hat, welches über eine Tankkarte geregelt wird. Als Reisender hat man keine Karte und muss den doppelten Preis wie die Einheimischen zahlen (bei 10 Cent statt 5 Cent pro Liter durchaus verkraftbar). Leider ist Diesel nicht überall erhältlich, da es keine privaten Dieselfahrzeuge im Iran gibt, haben nur wenige Tankstellen Diesel. Entsprechend findet man diese Dieseltankstellen ausschließlich an großen Fernverbindungsstraßen und nicht im innerstädtischen Bereich. Das machte etwas Planung notwendig, letztlich haben wir aber immer genügend Diesel bekommen.

Wir machten unseren ersten Tankstopp kurz nach der Grenze und bekamen 60l Diesel für umgerechnet 5€ – da lacht doch das Fahrerherz. Hinzu kam, dass die Straßen endlich wieder befahrbar waren, selbst kleine Dorfstraßen waren besser als die Hauptverbindung in Armenien und das Fahren wurde wesentlich entspannter und schneller.

Wir fuhren über kleine Dörfer in welchem die glänzende Moscheekuppel aus dem Meer aus grauen Häusern wie ein Edelstein hervorblitzte. Die russischen Autos der vorherigen Länder waren verschwunden und durch Eigenmarken, oder durch alte Peugeot 405 (die ebenfalls im Iran produziert werden) ersetzt. Jetzt fielen wir besonders stark auf, da auch die vielen weißen Lieferwagen und Kleinbusse verschwunden waren.
Und die Iraner freuten sich auf uns – ständig überholten sie mit jubelndem Hupen, riefen „Welcome to Iran!“ aus dem Fenster – manche fuhren sogar parallel und wollten wissen wo wir herkommen. Passanten rissen begeistert die Arme nach oben. Das ist doch mal ein Empfang, wie wir ihn noch nie erlebt hatten.

Der Iran zeigte sich von Beginn an von seiner gastfreundlichen Seite, denn in Täbriz, der ersten Stadt die wir anfuhren, gibt es einen kostenlosen Park zum Übernachten der sogar Duschen hat – einfach wundervoll. Am Abend erkunden wir die Gegend und mit der Hilfe eines jungen Iraners der Englisch spricht bestellen wir ein paar Fleischspieße und einen Tomatenspieß die wir kurze Zeit später gebraten zurückbekommen. Dazu gibt es dünnes Fladenbrot das mit seinen Blasen an Einwickelfolie erinnert. Abendessen für Zwei für umgerechnet 1,90€.

Hätten uns die anderen Reisenden nicht vorgewarnt, so hätten wir es nicht geglaubt: an unserem ersten Morgen im Iran kam ein junger Mann zu unserem Auto und gab uns unvermittelt eine Schale mit Nüssen und verschwand wieder. Dem Phänomen der Geschenke sollten wir noch öfters begegnen.

Täbriz hat den größten Basar weltweit – ob das stimmt wissen wir nicht, aber dass er groß ist können wir bestätigen. Von Matratzenfüllungen bis zum Goldschmuck kann man hier alles kaufen, man muss sich nur im Gassengewirr zurechtfinden. Eine unangenehme Begegnung hatten wir jedoch als wir wieder aus dem Gassengewirr entkamen: zwei ältere Herren sprachen uns einzeln auf Deutsch an und frugen uns ohne Unterlass aus – normalerweise werden Frauen nicht direkt angesprochen, sondern im Gespräch mit ihrem Mann einbezogen. Auch das sie Deutsch konnten war merkwürdig und dazu ihre aufdringliche Art – wir mutmaßen dass Sie auf Touristen angesetzt waren (die Stadt ist meist die erste Anlaufstelle für aus dem Westen kommende Overlander).

Irgendwann hatten die alten Herren wohl genug von uns und wir konnten weiterziehen. Wir gingen zu einem alten Stück Stadtgeschichte: dem Tabriz-Torbogen, daneben stand eine neue Moschee die uns mit ihren bunten Fliesen fröhlich entgegenblitzte.

In Täbriz begann unsere lange Suche nach einer Handy-Simkarte die schließlich ihr schlechtes Ende in Teheran fand. Obwohl wir nette junge Helfer hatten die für uns Übersetzten und es auch in mehreren Städten insgesamt probierten, klappte es nie: Grund hierfür ist dass seit ca. 2 Monaten die Aktivierung der Karte für Touristen gesperrt ist – davon wusste nur Niemand in den Shops und erst in Teheran konnte man uns aufklären. Zuvor hatten wir jedoch schon für rund 8$ eine Karte in Qom erhalten, die aber nicht funktionierte und wir auch nicht rückerstattet bekamen. Daher mussten wir die Wochen im Iran ohne Internet und Telefon verbringen, was vor allem beim Turkmenistanvisum problematisch wurde. Die Lösung wäre gewesen einen Iraner zu finden der einem die Karte kauft.

Bei der Weiterfahrt wurden wir von zwei Polizisten rausgewunken – kleiner Schreck – sie wollten wissen wo wir hinfahren und gaben uns, zu unserer Verblüffung, anschließend Tipps was wir uns noch in der Umgebung anschauen könnten – was für ein lustiges Land. Generell wurden wir im ganzen Land freundlich auf den Straßen angehupt, es wurde viel gewunken, in den Städten wünschte man uns an jeder Ecke ein herzliches Willkommen (danach endeten leider meist die Englischkenntnisse) und recht oft wollten Leute mit uns Selfies machen, die sie dann sofort bei Telegram hochladen (ja, die Plattform ist offiziell gesperrt, das juckt aber Keinen). Die Iraner scheinen um das schlechte Image ihres Landes zu wissen und tun daher alles um die wenigen Touristen die sich ins Land wagen vom Gegenteil zu überzeugen.

Über Landstraßen näherten wir uns langsam dem Berg Savalan, dessen Spitze mit 4780m auch noch Mitte Mai schneebedeckt war. Der historische Ort Shahr Yeri liegt gegenüber des Berges und soll schon vor 8000 Jahren bewohnt gewesen sein – heute sieht man davon nur noch einige Gräber sowie verschieden große Steinstehlen. Diese mit Gesichtern verzierten Steine sind zwischen 30cm und 2m hoch und wurden alle an einem Ort zusammengetragen. Daneben steht nur noch ein Haus, hier wohnt der Wächter mit seiner Familie – dieser führte uns ein wenig über das Gelände und zeigte uns eine versteckte Höhle.

Wir probierten unser Glück und fuhren hinauf auf den Savalan, vorbei an Viehherden und Nomaden die gerade ihre Sommerlager aufbauten. Zunächst endete die Teerstraße, schließlich versperrt uns eine Schneelawine den Weg und wir liefen noch ein Stück weiter den Berg hinauf, aber weit kamen wir nicht.

Kurz nach 8Uhr am Morgen klopfte es an unser Auto – der Mann würde gern ein Foto mit uns machen. Warum er so zeitig wach ist: es ist Ramadan und er ist vermutlich schon seit 4h wach, da er nach Sonnenaufgang nichts mehr essen darf. Auf dem Weg zu seinen Verwanden im nächsten Bergdorf hat er jede Menge „Brot“ dabei und beschenkt uns reichlich – nur dass es sich um die bekannte Blasenfolie handelt die geschmacklich nicht so unser Ding ist. Der Ramadan dauerte leider unseren kompletten Iranaufenthalt an und bedeutete, dass viele Imbissbuden / Restaurants tagsüber geschlossen waren und wir die kulinarische Vielfalt des Landes verpassten. Glaubten wir zunächst der Ramadan wäre stark in Iran verwurzelt, bemerkten wir nach und nach, dass es sich hierbei nur um den äußeren Schein handelte. Hinter verschlossenen Gardinen oder wenn sie unter sich sind Aßen und Tranken die meisten Iraner trotzdem.

In Ardabil können wir dank dem Museumstag kostenlos in eine große Mausoleumsanlage sowie das Archäologiemuseum hineingehen. Zum Mausoleum führt ein länglicher Garten der symmetrisch um den Weg angelegt ist. Vor dem Mausoleum öffnet sich ein größerer Platz um den noch weitere Gebäude angesiedelt sind. Barfuß dürfen wir in das Mausoleum treten, aber durch die vielen iranischen Touristen wirkte es nicht sehr erhaben, sondern eher geschäftig auf uns.

Im Museum kamen wir nicht sehr weit, da wir von zwei jungen Frauen „abgefangen“ wurden – nach mehreren Selfies mit ihnen und anderen Passanten luden sie uns auf ein Eis ein und wir nahmen gerne an, da die Beiden ein wenig Englisch konnten. Aus dem Eis wurde durch den Ramadan nichts, dafür gab es etwas viel besseres: Halva. Eine dunkelbraune Paste die zusammen mit Gewürzen an weihnachtliche Lebkuchen erinnerte. Das dazu gereichte Doogh, ein säuerlich-salziges Getränk war jedoch nicht unser Ding. Wir zeigten unseren Begleiterinnen unser Auto und Sie waren hin und weg – im Iran gibt es keine Wohnmobile und vermutlich war dies das Erste was sie je gesehen hatten. Zum Abschied schenkten sie uns noch Erdbeeren, Sonnenblumenkerne und eine Schale Gemüse.

Ardabil hatte für uns noch einen großen Supermarkt parat, aber hier erwartete uns eine Überraschung: alle Preise waren in persischen Zahlen angegeben. Immerhin wurden diese zusammen mit den uns geläufigen arabischen Zahlen auf den Verkehrsschildern angezeigt, so dass wir uns dann doch ganz gut zurechtfanden. Dass Thomas während des Wartens an der Grenze eine halbe Stunde lang auf eine Uhr mit persischen Zahlen gestarrt und sich diese eingeprägt hatte, half auch ganz gut (einzig blöd ist, dass es für manche Zahlen mehrere verschiedene Zeichen gibt).

Im nördlichen Küstengebirge des Irans versteckt sich das schon lange vom Tourismus entdeckte Bergdorf Masouleh. Die Häuser sind hier steil an den Hang gebaut und die Dächer der unteren dienen den oberen Gebäuden als Hof oder als Gehweg. Wir kamen vom unbenutzten Offroad-Bergweg, doch Diejenigen die mit der Talstraße kamen mussten Eintritt bezahlen, obwohl es „nur“ ein Dorf ist.

Vorbei an Reis- und Teefeldern fuhren wir wieder in die Ebene und hielten an einem Bauernhausmuseum. Hier wurden aus verschiedenen Bereichen der Region Häuser gerettet und wiederaufgebaut. Die Häuser wurden meist noch lange bewohnt, doch wenn dann die letzte Generation gestorben ist, wollten die Jungen nicht mehr einziehen. Neben Wohnhäusern gab es noch eine Schule und verschiedene Speicherhäuser zu besichtigen. Das Gelände durften wir nur mit einer Führerin betreten, die uns etwas gelangweilt verschiedene Fakten zu den Häusern wiedergab.

Nächster Stopp war die Stadt Qazvin: neben drei Moscheen, einem schicken Pavillon mit kleinem Park gab es einen wie ausgestorben wirkenden Basar. Aber wir wollten auch gar nicht wirklich die Stadt besichtigen sondern suchten nach einem Handyladen – wir fanden auch einen der uns endlich eine Touristenkarte verkauft: „nach 2 Stunden würde sie funktionieren“ – tja, diese zwei Stunden haben sich leider nicht bewahrheitet.

Unsere Reiseroute war überschattet vom Visumsantrag für Turkmenistan. Da die Bearbeitung 2 Wochen dauern sollte mussten wir dementsprechend zeitig in Teheran sein um es zu beantragen und dann zwei Wochen später in Maschad, im Nordosten des Iran, abzuholen – sofern wir es denn bekommen. Daher führt uns die Route weiter zur Hauptstadt, hoffentlich haben wir dieses Mal mehr Glück mit unserem Visum.

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