Kasachstan – wo nicht nur die Sonne am Himmel glüht

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19.07.2018 – Das Land passte so gar nicht zu unseren Vorstellungen: anstatt einer lebendigen Bergwelt und grüner Hochebenen fuhren wir fast die gesamte Strecke von 2400km durch eine flache, wüstenähnliche Steppenlandschaft mit Temperaturen von über 45 Grad.

Die Grenze zwischen Kirgistan und Kasachstan verläuft am Rande der Bergkette und Kasachstan hat nur am Rand im Süden und Osten Berge, unsere Strecke von Süd nach Nord war hingegen einfach nur flach.

Die Einreise verlief schnell, wir mussten einen Registrierungszettel ausfüllen und stempeln lassen und wieder ein paar Frage zum Auto beantworten, danach waren wir durch. Vor der Grenze herrschte buntes Markttreiben – wir brauchten eine Autoversicherung, da nur Inländische anerkannt werden. Leider gab es keinen Bankautomaten und die Geldhändler hatten unverschämte Umtauschkurse, so dass wir in USD bezahlen mussten. Aber auch wir sind abgebrühter geworden: die Versicherung sollte 31 USD kosten (schlechter Umtauschkurs) aber wir gaben nur 25 – wenn es nicht passt würden wir zum Nächsten gehen. Natürlich waren auch 25 USD noch ok, wer weiß wie wenig die Versicherung tatsächlich kostet.

Es ging nach Taraz, hier konnten wir problemlos Geld abheben und gleich eine Simkarte kaufen (angeblich mit unbegrenzt YouTube, yeah!). Die Stadt selbst hatte nicht sehr viele Sehenswürdigkeiten. Der Hauptplatz der Stadt war groß, leblos und von sowjetischen Gebäuden umringt. Der Garten der großen Stadtmoschee wurde von Hochzeitspaaren samt Gefolge belagert, die hier alle ihre Fotos machen wollten. Neben den Paaren an sich waren ihre Hochzeitsautos sehr interessant: sichtbar selbst aufgemotzte Hummer-Limousinen suchten verzweifelt auf der kleinen Nebenstraße einen Parkplatz.

Auch wir suchten nach einem Parkplatz für die Nacht und parkten in einem Grünstreifen neben einem Wohngebiet. Menschen mit Badesachen erregten unsere Aufmerksamkeit: da es schrecklich warm war fuhren wir in die entsprechende Richtung und fanden mitten in der Stadt einen großen, kostenlosen Badesee. Der war natürlich gut besucht und auch wir stürzten uns in das kühle Nass – super angenehm.
Am frühen Morgen, gegen 5 Uhr, wurden wir unangenehm geweckt, als jemand versuchte an unserer Türklinke zu ziehen (die natürlich abgeschlossen war und nicht aufging). Beim zweiten Versuch war Thomas schon nach vorne gesprungen und brüllte den vermeintlichen Einbrecher laut an, der daraufhin schnell wegrannte. Da man nach so einem Erlebnis nicht mehr gut schlafen kann, fuhren wir in aller Früh weiter.

Kurz hinter Taraz liegt das Aisha Bibi Mausoleum – bei so wenig Sehenswürdigkeiten schauten wir uns selbst diese beiden kleinen Grabgebäude an. Aber sonderlich beeindruckt waren wir nicht.

Durch sehr viel spärlich bewohnte Landschaft ging es weiter nach Türkistan, vom 16. bis 19. Jahrhundert Sitz der kasachischen Khane, drückt mit seinem Namen eben diesen Anspruch aus: Repräsentant aller Türk-Völker zu sein. Heute sieht man vom ehemaligen Rang der Stadt nicht mehr wirklich viel, einziger Zeitzeuge ist die Grabmoschee Hodzha Achmed Jassawi – die später ausgebaut und als Regierungssitz genutzt wurde. Das Mausoleum steht heute immer noch unvollendet da, der Vorderseite fehlt der Fliesenschmuck, da der Auftraggeber vor Fertigstellung verstarb. Nur ein kleiner Teil des Gebäudes ist tatsächlich das Mausoleum, drum herum gab es eine große Halle, eine Küche, einen Gebetsraum sowie verschiedene andere Räumlichkeiten. Direkt davor erblühte ein schöner Rosengarten, in der sonst sonnenverbrannten Umgebung.

In den Weiten Kasachstans gibt es vermutlich noch so manche vom Wüstensand verborgene Stadt. Wir besuchten Sunak Ata, eigentlich nur ein auffällig großer flacher Hügel in der Landschaft, an dessen erster Ecke gerade Ausgrabungen und Wiederaufbauten begannen. Doch schon die kleinen Mauerreste und die noch im Boden befindlichen Tonvasen waren spannend anzusehen und versprachen einen interessanten Ort unter den weiteren Dreckschichten.

Was tun gegen die Hitze? Zunächst legten wir uns einen beachtlichen Vorrat an Getränken zu – es war so heiß das wir locker einen 5l Wasserkanister nebst 1-2 Flaschen Limonade am Tag verbrauchten. Ansonsten hielten wir Ausschau nach allem, was sich zum Badengehen eignete, nur leider gab es davon nicht so viele Möglichkeiten. In Kyzylorda fanden wir endlich einen städtischen Badesee und dümpelten sehr lange im lauwarmen Wasser dahin.

Die Kanäle die das Land durchziehen waren meist nur mit brauner Brühe gefüllt – aber sie sind der Grund, weshalb die eigentlich großen Flüsse des Landes nicht viel größer als ein Dorfbach sind. So standen wir neben dem Syrdarya – einer der großen Flüsse die wir aus dem Geografieunterricht kannten, aber der Anblick war sehr traurig.

Baikonur, das Sternenstädtchen auf der einen Straßenseite und die Raketenabschussstationen auf der Anderen – zumindest theoretisch, denn gesehen haben wir fast nichts davon. Das Abschussgelände liegt 25 Kilometer von der Straße entfernt und außer ein paar Häusern mit Sattelitenanlage gab es nichts zu sehen. Das Dorf konnte man zwar von außen sehen, aber wir kamen nicht weit – auch dieses ist abgeriegelt und genau wie der Weltraumbahnhof selbst russisches Territorium. Selbst das Museum liegt im Sperrgebiet – so mussten wir ohne viel gesehen zu haben wieder weiterfahren.

Zwischen den Städten die hier erwähnt werden liegt eigentlich nichts, nur flache, eintönige Steppe. Immerhin ist der Asphalt in erstaunlich gutem Zustand (für mittelasiatische Verhältnisse) und man kann recht zügig fahren.

Wir gelangten nach Aral-Stadt und sehen was das Ergebnis der Kanal-Wasserwirtschaft der Sowjetunion ist: die einst vom Fischfang florierende Kleinstadt bröckelt heute langsam vor sich hin – denn Fischfang funktioniert hier schon lang nicht mehr. Durch die massive Wasserentnahme aus den Zuflüssen schrumpfte der Aralsee: der einst viertgrößte Binnensee der Erde verschwand durch Menschenhand fast komplett. Aber das eigentlich erschreckendste für uns war die Erkenntnis: das den planenden Russen dieser Effekt bekannt war und sie sogar dachten es würde weit schneller gehen. Die Russen wollten Baumwolle und brauchten scheinbar keinen Fisch – da war ihnen das Schicksal des Sees sowie seiner Anwohner egal. Sicher nicht ganz untypisch für wirtschaftliche Projekte jener Zeit.

Heute gibt es Versuche den See wieder zu füllen. Mit einem Damm versuchen die Kasachen das Wasser davon abzuhalten Richtung Usbekistan – wo früher auch der See war – zu verschwinden. Aber auch heute noch fließt viel Wasser durch kaputte Kanäle und verschwindet, bevor es im See landet – vermutlich wird es noch sehr lange dauern bis der See wieder da ist.

Nach schier endlosen Kilometern auf immer schlechter werdenden Straßen ging plötzlich eine gut ausgebaute zweispurige Fahrbahn los, die uns ins Stadtzentrum von Aktöbe leitet. Hier können wir für umgerechnet rund 2,50€ p.P. in einem netten Hostel Wäschewaschen und Duschen so lang wir wollen – das Angebot nutzen wir natürlich gern. Mit uns übernachtete noch ein weiteres „Overlander-Pärchen“ in seinem Offroadauto vor dem Hostel. Die Beiden sind Neuseeländer, kommen aus London und reisen über den Landweg zu ihrer neuen Wahlheimat nach Australien. Zu unserer geselligen Runde kommt noch ein Schweizer hinzu, der an einer Solar-Fahrrad-Ralley teilnimmt: „The Sun Trip“ geht über 12 000 km von Lyon (Frankreich) bis nach Canton (China). Das zeigt uns mal wieder, wir sind nicht die Verrücktesten da draußen, sondern mit unserem Auto ziemlich normal unterwegs.

Aktöbe an sich sah etwas heruntergekommen aus, merkwürdigerweise gab es aber eine Menge an Arbeitern die an allen Ecken der Stadt am Putzen waren – vielleicht gab es hier ja einen Sommerputz, anstatt des Frühjahrsputzes?

Ein neuer Tag Autofahren und mal wieder erwarteten uns neue Unterbrechungen des langweiligen Dahinfahrens: auf der eigentlich guten Teerstraße gab es plötzlich ca. 5-10 cm tiefe Ausschnitte. Mal lang, mal breit erschienen sie plötzlich vor einem: entweder konnten wir ausweichen, oder mussten abbremsen um nicht zu schnell über die harte Kannte zu fahren. Natürlich hatte auch der Gegenverkehr das gleiche Problem und so sah es aus der Ferne aus, als würden die Autos einen Tanz aufführen. Danach erwarteten uns Schwärme von Heuschrecken die über die Straße zogen – wir schafften es schnell genug die Fenster hochzukurbeln – so hörten wir nur das Klackern auf der Windschutzscheibe – irgendwie gruselig.

Bevor wir das Land verlassen nutzen wir nochmals die niedrigeren Löhne und schickten das Auto in eine Werkstatt in Uralsk. Diesmal ist es die Achsmanschette auf der Beifahrerseite und die eigentlich Neue war auch schon wieder runtergerutscht. Dazu kommt einmal Fetten der Gelenke (wir stehen auf Kriegsfuß mit unserer Fettpresse und haben es schließlich aufgegeben es selbst zu machen) und die hinteren Blattfedern richten – die ruckeln beim vielen Fahren auseinander.

Nach 9 Tagen schier endlosem Fahren durch sehr viel Nichts und zu viel Hitze hatten wir es schließlich bis an die Grenze zu Russland geschafft. Die Prozedur dauert nicht lang und schnell stehen wir im Niemandsland. Russland ist das letzte Land außerhalb der EU – die letzten Grenzen. Wir hoffen darauf, dass hier Väterchen Frost auch im Sommer die Temperaturen angenehm niedrig hält.

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