Aus der Zeit gefallen – unsere Begegnung mit den Amish in Lancaster, PA

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Auf unserem Weg von Gettysburg nach Philadelphia kamen wir (bewusst) durch Lancaster County in Pennsylvania, einem Gebiet das vor allem durch seine große Anzahl an Amish und Mennoniten bekannt ist – jenen religiösen Gruppen die Technologie hauptsächlich ablehnen und leben wie im 18. Jahrhundert. Wir hofften also ein paar Menschen in altmodischen Kleidern zu sehen und Pferdekutschen auf der Straße – und wir wurden nicht enttäuscht.

Wir parkten in der Nähe eines kleinen Sees in der Stadt Paradise, als nach einiger Zeit in einem Pavillon in der Nähe eine altmodisch gekleidete Frau auf einem Elektro-Scooter und ihr Mann mit einem großen Roller (Fahrrad war noch nicht erfunden), gelbem Strohhut und langem Bart auftauchten. Ein bizarres Bild. Wir hatten zuvor schon die Kutschen gesehen („horse and buggy“) und jetzt auch echte Amish – ich (Thomas) konnte es mir nicht nehmen mit den Beiden ins Gespräch zu kommen – eine gute Entscheidung, die Beiden erzählten uns über viele Stunden über ihre Kultur und luden uns in ihr Haus ein.

Leider haben wir kaum Bilder für euch, da die Amisch sich (laut Reiseführer) ungern fotografieren lassen. Heute muss man also hauptsächlich lesen 😊 Hier die einzigen drei Bilder die wir haben …

 

Ins Gespräch kamen wir zunächst über die Sprache – die Amisch sind aus Südwestdeutschland und der Schweiz zwischen 1700 und 1860 in die USA ausgewandert, da sie in Europa vertrieben wurden. Sie sprechen innerhalb der Familie einen Dialekt den sie „Pennsylvania Dutch“ nennen – wobei das nichts mit „Dutch“ (also: holländisch) zu tun hat. Sie haben einige Sätze in diesem Dutch gesprochen und es hatte für mich typische Elemente des Alemannischen – also dem Dialekt den man auch bei uns in Lörrach spricht, sowie in Variationen in Baden, Saarland und der Schweiz. Und von diesem Dialekt aber wiederum eine uralte Version, denn sie sind ja 1700-irgendwas ausgewandert und sprechen also kein heutiges Alemannisch sondern das von damals.
Als „Dutch“ bezeichnet man es wohl, weil die Amish, bevor sie nach Amerika kamen, noch kurz in Holland Zuflucht fanden, ehe sie in die Neue Welt weiterzogen. Sie kamen also mit holländischen Schiffen aus Holland an und wurden daher fälschlicherweise als „Dutch“ bezeichnet.
Die Deutsche-Sprache sprechen Sie in ihren Familien als Muttersprache, Englisch lernen sie erst wenn sie in die Schule gehen. Ihre Gottesdienste sind eine Mischung aus altem Hochdeutsch und Dutch – es wird eine alte deutsche Lutherbibel als Grundlage verwendet – und auch nicht in modernen Buchstaben, sondern in diesen altdeutschen Buchstaben wie sie bis zum 2. Weltkrieg in Deutschland in Verwendung waren.

Ich habe sie gefragt, ob dieses Ablehnen der Technologie einen religiösen Hintergrund hat und das wurde verneint, sie meinten in Ihrer Bibel steht nirgends dass sie keine Technologie verwenden dürfen. Vielmehr sei dies einfach eine Tradition, die Kultur dieser Gruppe – wer zu den Amish, zur Gemeinschaft der Amish gehören will, der muss das einfach so machen. Sie haben kein Problem wenn das jemand nicht, oder nicht mehr, will – aber Derjenige gehört dann nicht mehr zur Gemeinschaft (sie verwenden das ziemlich harte Wort „rejected“ – ausgestoßen). Und promt als ich das Frage läuft ein solcher Abtrünniger hinter uns lang – „Sieh da ist er! Er wurde letztens erwischt als er einen Pickup-Truck gefahren ist und dabei einen Unfall gebaut hat. Er ist Messdiener in der Kirche aber immer wieder kann er nicht von der Technologie lassen. Er hat sogar ein Mobiltelefon, sagt er brauche es für seine Arbeit. Das geht doch nicht!“
Er wolle eigentlich raus, aber seiner Familie zu Liebe bleibt er, kann der Versuchung aber scheinbar nicht wiederstehen. Unzählige Gespräche gab es wegen ihm wohl schon – ob er wieder in die Gemeinde aufgenommen werden kann oder nicht. Aber er wolle sich wohl scheinbar einfach nicht an alle Regeln halten.
Was sie denn von Menschen wie mir halten, die hier mit ihrem Wohnmobil und voller Technologie herumfahren wollte ich wissen – oder von allen anderen, ihren Nachbarn z.B. (sie wohnten nicht in abgetrennten Dörfern, nein, mitten in einer normalen Stadt)? „We have our life – they have theirs“ – er hat auch überhaupt kein Problem mit Personen von außerhalb, denn die sind ja nicht Amish, müssen sich als logischerweise auch nicht an die Regeln halten.

Der elektrische Scooter der Frau erschien mir zunächst als Widerspruch, aber sie erklärten mir dass die Frau den Scooter verwenden darf (in Absprache mit dem Amish Bischoff), weil sie so schlecht laufen kann und es keine andere Möglichkeit gibt. Er muss dann aber mit Solarstrom geladen werden, da man ja keine Elektrizität hat.
Wir wurden in das Haus der Beiden eingeladen und auch ihre Kinder, die nebenan wohnen, kamen noch hinzu – alles sehr nette und interessierte Leute. Und ebenso typisch Amish angezogen: sie mit einem Kleid ohne Knöpfe und einem Häubchen, er mit schwarzen Hosen, schwarzer Weste, Bart und Strohhut. Im Haus lief alles auf Gas, also auch das Licht. Bzw. Solarlampen scheinen auch okay zu sein. Generell scheint es so zu laufen, dass diejenige Technologie erlaubt ist, die unumgänglich ist – man scheint schon an der Vergangenheit festzuhalten, aber nicht um jeden Preis. So darf man z.B. für weitere Fahrtstrecken, die man mit der Kutsche nicht zurücklegen könnte, ein Auto nehmen – aber man darf nur mitfahren, selbst fahren ist ja nicht absolut notwendig.

Wir verabschieden uns Abends von einer sehr netten Familie und einer interessanten Kultur. Ich wollte ihnen zum Abschied noch von unserem Blog erzählen und einen Blogaufkleber schenken, aber da fällt mir auf dass man so einen Blog ohne Technologie wohl nicht lesen kann. Also schreiben wir uns die Post-Adresse der Familie und schreiben wohl mal eine Postkarte aus Deutschland. Post ist erlaubt.

3 Kommentare auch kommentieren

  1. Glen Valley sagt:

    Wie gut, dass Du mit den beiden ins Gespräch gegangen bist, Thomas. Sehr interessant!

    1. Thomas sagt:

      Ludwig Wittgenstein und auch meiner Mutter meinten immer: „Die Grenzen deiner Sprache sind die Grenzen deiner Welt“ – das ist natürlich sehr praktisch für solche Gespräche dass wir gut Englisch können und die Ammies ein sehr gesprächig Volk sind. In Mexiko und weiter wird das dann sicherlich schwierig. Mein Spanisch kommt leider kaum über ‚una cerveza Portal favor‘ hinaus ^^ – muss ich noch ein bisschen üben…

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