Belize – Auf Plattdeutsch im Regenwald

03.12.2017 – Für Zentralamerika einzigartig spricht man in Belize Englisch bzw. Creole (eine Art gebrochenes Englisch), in manchen Gegenden auch Spanisch und Plattdeutsch. Was, Plattdeutsch? Ja richtig, dazu später mehr …

Der Grenzübergang von Mexiko nach Belize begann mit der Abmeldung von Mensch und Auto in Mexiko. Hier wollten sie zunächst doch glatt nochmal die Gebühr für die Touristenkarte von 25€ p.P. kassieren, die wir ja schon bei der Einreise bezahlt hatten. Zum Glück wussten wir dank anderer Reisender, dass dies ein üblicher Trick ist und haben die Quittung aufgehoben – denn sinnloserweise zählt nur die Quittung, nicht die Karte selbst – die man aber ja nur gegen Zahlung der Gebühr erhält. Unfug sowas, aber wir hatten ja die Quittung aufgehoben und mussten daher nix zahlen. Danach geht es zur Bank um die Kaution fürs Auto wieder zu bekommen, nach ein paar Fotos vom Auto und dem halben Abreißen der Plakette ist das schnell erledigt und wir verlassen das Land. Belize beginnt mit einer Sprühanlage (fumigacion): wir wissen zwar nicht für was diese gut sein soll, aber das 2 Sekunden lang ein paar Spritzer bei unserem Fahrzeug evtl. nicht ausreichen könnten um irgendeinen Effekt zu haben scheint keinen zu stören. Beim Einreisestempel setzte dann kurz unser Herz aus – der Beamte konnte den Ausreisestempel von Mexiko in Franzis Reisepass nicht finden: er war dann doch da, auf der vordersten Seite und so blass, dass man ihn tatsächlich gut übersehen konnte. Nachdem das Auto angemeldet war musste Franzi laufen und Thomas durch die Grenze mit dem Auto – einzig die Tomaten schafften es nicht hinüber: wir vermuten der Beamte konnte diese gut für sein eigenes Mittagessen gebrauchen da er auf Thomas‘ Spruch „That’s sad, we just bought these tomatoes yesterday“ antwortete: „So they are fresh, good!“. Guten Appetit. Der letzte Stopp war die Autoversicherung und schon waren wir in diesem vergleichsweise kleinen Land angekommen.

Unser erstes Ziel war das Crooked Tree Wildlife Sanctuary: vor allem für Zugvögel ein beliebter Ort zum Verweilen. Zu unserem Pech waren wir gerade zu Beginn der Saison da, es hatten sich noch keine Zugvögel – und noch nicht einmal das Personal des Visitorcenters – eingefunden. So nutzten wir den ruhigen Ort nur für eine Übernachtung und bekamen ein unerwartetes Lichterschauspiel zu sehen: in der Dämmerung leuchteten hunderte Glühwürmchen vor unserer Nase auf der Wiese auf. Zuvor sind wir etwas zu weit in die scheinbar völlig durchnässte Wiese am Ufers des Sees gefahren – wir holten schnell die Winde und zogen aus heraus – darin sind wir ja bereits geübt. Winden sind toll.

Belize-City: die einstiege Hauptstadt des Landes wurde nach einer verheerenden Naturkatastrophe im 20. Jahrhundert „von der Regierung verlassen“ und zeigte sich uns als triste und trostlose Hafenstadt. Die wenigen historisch erhaltenen Gebäude konnten uns durch bloße Jahreszahlen nicht beeindrucken. Eine Besonderheit der Stadt ist jedoch die Swing Bridge: eine von Hand betriebene Drehbrücke – anscheinend die älteste erhaltene auf der Welt.

Wir wollen nochmal das Meer sehen und fahren über den Coastal Highway ins kleine Fischerdorf Hopkins. Der sogenannte Highway ist jedoch nur eine Dreckpiste durch größtenteils ungenutzte Landflächen. Entgegen unserer Vermutung handelte es sich nicht um dichten Urwald, sondern war meist spärlich bepflanzt und ab und an schaute sogar ein Nadelgehölz hervor.

Hopkins brachte wenig Überraschendes – es war so verschlafen wie gedacht – selbst das Meer konnte uns mit seinem trübem grau nicht zum Baden verleiten, ein abends einsetzender Starkregen säuberte den Iveco etwas.

Die Weiterfahrt nach Belmopan über den Hummingbird Highway war dafür so, wie wir uns das Land vorgestellt hatten: dicke grüne Regenwälder mit weiß hervorblitzenden Felsen.

Im St. Herman’s Blue Hole National Park laufen wir durch richtig dichten Dschungel um zur Herman’s Cave zu gelangen – alles ist in satten Grüntönen und glänzend durch die anhaltende Feuchtigkeit. Einziger Nachteil sind die tausenden Mücken die uns umschwärmen und auch von unserem Mückenschutz nicht viel halten. Zum Glück scheint es ihnen in der Höhle nicht so zu gefallen: hier ist es wesentlich kühler und trockener. Ohne Führer darf man zwar nicht ganz durchlaufen, aber ein gutes Stück hinein: der Weg schlängelt sich entlang eines Wasserlaufes immer tiefer in den Berg und schon bald ist jegliches Tageslicht verloschen. Am Ende stehen wir in einer großen Halle, das Wasser hat einen kleinen See gebildet und an der Seite steht eine dicke Tropfsteinsäule die beständig am Wachsen ist.

Zweiter Teil des Nationalparks ist das Blue Hole: hier tritt ein Bach von unten aus dem Fels heraus um wenige Meter oberirdisch zu fließen und danach wieder unter den Felsen zu verschwinden. Beim Austrittsloch wird das Wasser in einem flachen Becken gesammelt und man kann darin baden und wenn man sich traut über den tiefblauen Wasseraustritt schwimmen, der keinen Boden zu haben scheint.

Wir kommen an der Hauptstadt Belmopan – für die sich außer der Regierung niemand interessiert –  vorbei, nutzen hier aber nur den „großen“ Supermarkt. Bisher haben wir in diesem Land nur kleine Märkte nicht größer als eine Garage gesehen, in denen die Preise sehr hoch waren. Der Supermarkt Belmopans ist zwar dagegen riesig, die Essensabteilung aber trotzdem nicht überragend. Oft fehlen die Preise und irgendwann geben wir auf danach zu suchen und kaufen nur das Nötigste.

Auf der Suche nach einem Übernachtungsplatz finden wir einen tollen Community Park in der Stadt Spanisch Outlook, von der wir wussten dass dort Mennoniten leben. Wir waren überrascht: am Ortseingang begrüßte uns ein Schild nicht etwas mit „Bienvenidos“ oder „Welcome“, sondern mit dem uns wohl bekannten „Willkommen“. Die Ortsteile tragen Namen wie „Rosenhof“, „Schoenthal“ oder „Gnadenfeld“ – die Gegend sieht ganz und gar nicht so aus wie wir Zentralamerika kennen – sondern eher wie ein Stückchen USA: Straßen wie auf dem Reißbrett gezeichnet, in top Zustand, alles sauber, der Rasen gemäht, die Häuser solide gebaut, die Fahrzeuge modern. Am Park, in dem wir übernachten, finden wir eine Art Geschichtsstätte der Stadt (wahrscheinlich ein Schulprojekt zum Jubiläum). Der älteste Eintrag: „19 families moved from Quellenkolonie to B.H.“ – okay, hier sind wir in einer spannenden Gegend.

Der nächste Tag war Sonntag und da wir in einem Englisch-sprachigen Land waren, konnten wir ja hier mal wieder zum Gottesdienst gehen und die Predigt verstehen – aber es kam viel verrückter. So fuhren wir zur Schoenthal Church und da Autos und Leute da waren, wird wohl auch bald Gottesdienst sein. Thomas stieg aus und fragte ob wir denn zum Gottesdienst kommen können – natürlich kein Problem. Man freute sich jemanden aus Deutschland zu Gast zu haben. Nur beachten, dass Frauen und Männer getrennt sitzen. Oha, ungewöhnlich – aber war früher glaub in Deutschland mancherorts auch so. Auffällig war auch, dass alle Männer schwarze Hosen und schicke Hemden trugen, während die Frauen alle ein Kleid und ein Häubchen an hatten. Wir hatten uns ja gefreut endlich wieder einen englischen Gottesdienst besuchen zu können, aber was hier passierte hatten wir noch nie erlebt: Gesungen wurden hauptsächlich Lieder auf Hochdeutsch – ebenso wie alle gelesenen Bibeltexte auf Hochdeutsch waren. Dazu gesellten sich einige Lieder auf Englisch. Der ganze Rest des Gottesdienstes inkl. Predigt war aber auf einer sehr alten Version des Plattdeutsch – für uns leider, bis auf wenige Worte, vollkommen unverständlich (jaja, Deutschland und seine Dialekte). Für die Anwesenden natürlich kein Problem, denn Plattdeutsch ist ihre Muttersprache. Hochdeutsch lernen sie in der Schule um die Bibel zu verstehen, Englisch natürlich um im Land zu kommunizieren und dann noch Spanisch, da sie in einer eher spanisch-sprechenden Gegend wohnen.

Das klingt verrückt – wie kommen denn plattdeutsche Mennoniten nach Belize? Story Time! Die Mennoniten kommen ursprünglich (1700/1800) aus Norddeutschland und haben von dort ihre Sprache von damals mit in die neue Welt gebracht – so ähnlich wie die Amish auch, wenn ihr euch an unsere Begegnung mit ihnen in Pennsylvania erinnert. Die Mennoniten wollten ihre religiöse Freiheit ausleben, das ging in Deutschland nicht, so zogen sie erst nach Polen, dann nach Russland und als sie auch dort ungewollt waren, ging es nach Kanada und in die USA. Doch auch dort schien die Freiheit für die Mennoniten nicht groß genug zu sein, so zogen sie nach Chihuahua (Nord-Mexiko) – das ist die auf dem Geschichtsschild gezeigte „Quellenkolonie“. Dort blieben sie eine Weile, aber wegen irgendwas was ihnen nicht mehr passte (das wussten sie selber nicht mehr so genau, meinten aber es war wohl irgendwas wegen Militärdienst) suchten sie nach einer neuen Heimat und wurden von der damaligen englischen Kronkolonie Britisch Honduras (heute Belize) eingeladen im Land zu siedeln, um so das landwirtschaftliche Know-How der Mennoniten zu nutzen. Ab 1958 zogen viele Familien nach Belize, wo sie ein sehr großes Stück Regenwald gekauft hatten und es nun urbar machten (wenn man sich die Gegend anschaut würde man im Leben nicht vermuten, dass das mal Urwald war – reife Leistung). Zusammenfassend könnte man sagen: die Mennoniten wollen hauptsächlich einfach ihre religiösen Überzeugungen leben, Landwirtschaft betreiben und mit allem weltlichen ansonsten in Ruhe gelassen werden. Das Familienbild ist sehr traditionell (die Frau hört auf zu arbeiten sobald sie verheiratet ist und kümmert sich um die Kinder), der Kleidungsstil wie schon erwähnt auch, aber ansonsten kamen sie uns sehr „normal“ vor – sie fuhren also nicht in Pferdekutschen und hatten auch sonst alle Technologie die es heute gibt.

All das konnten wir herausfinden da wir netterweise nach dem Gottesdienst von einer Familie zum Mittagessen in deren Haus eingeladen wurden und lange mit ihnen über alles Mögliche sprechen konnten. Eine absolut spannende und herzliche Begegnung – vielen Dank!

Und so ist unser Aufenthalt in Belize auch schon wieder vorbei, als nächstes wollen wir möglichst schnell durch Guatemala und Honduras fahren, da deren Sicherheitslage uns zu schlecht erscheint um sich dort länger aufzuhalten.

 

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