09.09.2017 – Die Rückkehr in die USA verlief erstaunlich einfach für uns. Zwar musste der Grenzbeamte einen kurzen Anruf tätigen, um sich zu versichern, dass diese Deutschen ihr komisches Wohnmobil einführen dürfen, und schon waren wir zurück im Land of the Free. Von Detroit kannten wir bisher nur Bilder von verlassenen Häusern und eine Fernsehserie über ein Pfandhaus an der „8 Mile Road“ die selbst wiederum durch den Film „8 Mile“ von Eminem (ein amerikanischer Rapper) berühmt wurde. Unsere ersten Eindrücke bestätigten dieses Image. Einmal quer durch die Stadt gab es auffallend viele Bettler an den Straßenkreuzungen und kaputte Häuser und Fabriken. Aber ab dem Zeitpunkt ab dem wir unser Auto abstellten merkten wir: hier bewegt sich was. Wir parkten in einem schicken neuen Wohnviertel, in der Nähe des Flusses von dem aus ein gepflegter Park in die Innenstadt führte. Aber auch hier machten die aller 50m aufgestellten Notrufsäulen bewusst: die heile Welt hat einen Preis.
Durch das GM Renaissance Center verließen wir die Uferpromenade und machten einen Schlenker in die Stadt. Es fand gerade das Detroit Jazz Festival Stadt und die Stadt war gefüllt mit Bühnen und die Menschen strömten in den Stadtkern. Gleichzeitig fand ein Baseballspiel Stadt. Hier konnte Thomas die Eintrittsdamen leider nicht davon überzeugen uns kostenlos in den letzten Minuten einmal hineinschauen zu lassen. Aber vor den Toren des Stadions war eine ausgelassene Stimmung, obwohl viele Menschen schon enttäuscht herausströmten – Detroit hat wohl böse verloren. Für Franzi waren vor allem die Wolkenkratzer interessant. Diese waren keine funkelnden neu errichteten Glastürme, sondern zeigten den Glanz der alten Tage, als Detroit noch nicht von Wirtschaftskrisen geschüttelt wurde. Die Verzierungen der Gebäude kann man bis heute unter dem jahrzehntealten Dreck erkennen, aber leider sind sie auch stark vom Verfall betroffen. Insgesamt eine Innenstadt die versucht zu überleben, die Vieles abreißt, damit es nicht leer steht und die den Verlust der Hälfte ihrer Bürger nur schwer verkraftet hat. Wer kann, zieht weg – Jobs: gibt es nicht, ganze Straßenzüge in den Vorstädten sind verlassen, die Fenster der Häuser mit Brettern vernagelt (die Stadt verkauft Häuser und Grundstücke für einen Dollar – gekauft werden sie trotzdem nicht). Eine Stadt, die seit den 1950er Jahren nicht richtig aus der Krise herauskam und der die letzte Finanz- und Automobilkrise wohl den Gnadenstoß gegeben hat.
Wir verbrachten nur ein paar Stunden mit unserem Stadtbummel in Detroit, übernachten wollten wir hier nicht – zu gefährlich. Obwohl wir scheinbar in einer guten Gegend geparkt hatten war uns nicht so ganz wohl, das eine Straße weiter Panzer, Haubitzen und weitere Militärfahrzeuge standen machte den Eindruck nicht besser. Beim Verlassen der Stadt machten wir noch einen Halt in der 8 Mile Road, das Pfandhaus „American Juwelry“ aus der Fernsehserie gab es wirklich, aber leider war es geschlossen.
Es ist Labourday und insgeheim wohl das Ende des Sommers in dem hiesigen Breitengrad. Die Amerikaner haben einen freien Tag und wahrscheinlich nur dank eines Regenschauers am Nachmittag bekommen wir einen Parkplatz am Strand des Lake Michigan. Wir gehen bei tollen Wellen baden und Thomas klagt darüber, dass er seit dem Bad auf seinem linken Ohr nichts mehr hört (ein Umstand der uns zwei Tage später in eine Urgent-Care-Clinic bringt, die das Ohr wieder freiputzt – so eine Klinik ist quasi ein Alles-Mögliche-Doktor, bei dem man ohne Termin kommen kann, was bei den regulären Ärzten nicht geht).
Die beliebteste Frage zu unserem Auto ist wie so oft: „Was für ein Auto ist das denn? Sowas habe ich hier noch nie gesehen“. So oder so ähnlich mag wohl auch das Gespräch mit Tomasz begonnen haben, der uns am Strandparkplatz angetroffen hat. Aber es blieb nicht dabei, denn als er hörte, dass wir eine Werkstatt suchen um die Achsmanschette wechseln zu lassen, meinte er, er kennt da einen Truck-Mechaniker der solche Exoten liebt und könnte etwas arrangieren. Und so kam es dann auch, wir trafen Tomasz am nächsten Tag wieder und fuhren mit ihm zu seinem Freund raus aufs Land südlich von Chicago. Hier erwartete uns eine Scheune deren Ausstattung einer Autowerkstatt wohl kaum in etwas nachstand. Wir erlebten hier, das uns eigentlich wildfremde Menschen einfach so ihre Zeit schenkten, Haus und Hof öffneten und unser Auto reparierten, ohne eine Bezahlung dafür haben zu wollen. Die Reparatur begann am Nachmittag und dauerte bis in die späten Abendstunden. Am Ende fuhren wir zu viert mit unserer „Festtagsbeleuchtung“ (unseren mega-hellen Dachscheinwerfern) durch das Farmgelände und quatschte noch eine halbe Ewigkeit mit den Beiden. Der Mechaniker meinte alle 5 Minuten: „This is the weirdest van I’ve ever seen“. Wir durften auf der Farm übernachten und hatten neben einem reparierten Auto eine schöne Zeit verbracht.
An dieser Stelle: „Thanks Tomasz and James for helping us out, getting that CV-joint boot repaired and going above and beyond with your hospitality – we hope you’ll get the same help and kindness should you be in need one day.“
Chicago, bekannt für seine Gangster im 20 Jahrhundert, ist bis heute für die auftretende Kriminalität bekannt. Dabei scheint diese nicht flächendeckend in der Stadt aufzutreten sondern sich spezifisch auf Stadtviertel zu begrenzen. Wir versuchten den gefährlichen Stadtvierteln fern zu bleiben, die wir zuvor auf einer Online-Crime-Map lokalisiert hatten und begannen unsere Besichtigung im Universitätsviertel (eines der Viertel mit der niedrigsten Crime Rate, direkt angrenzend an das Viertel mit der höchsten Rate – zwei Welten). Hierher hatte uns Franzis Wunsch verschlagen, das „Robie Haus“ von Frank Lloyd Wright zu besichtigen. Bekannt als das wohl markanteste Beispiel für den von ihm entwickelten Prairie Stil wurde es 1910 fertiggestellt und zog nicht nur uns als Touristen an. Markant sind die horizontalen Linien die Wright aus den Weiten der Prärie aufgenommen haben soll. Das Universitätsviertel an sich war ebenfalls sehr schön gestaltet. In einem Gebäude gab es eine kleine Ausstellung und wir konnten zum ersten Mal eine Nobelpreis-Medaille von Nahem bewundern.
Wir parkten unser Auto südlich des Stadtkerns an einer Hauptstraße in einem Bürogebiet mit der Hoffnung es nach dem Ausflug noch dort stehen zu haben. Ein Straßenschild, welches u.a. darauf hinwies, dass in diesem Gebiet, weil es eine Schul-Zone war, Gang-Rekrutierung und Drogenverkauf härter bestraft würde als andern Ortes, ließ uns ein bisschen mehr an der Stadtsicherheit zweifeln. Entlang der Wassergrenze führte uns ein schöner Fahrradweg in die Stadt und gewährte ab und an einen Blick auf die Skyline. Unser erstes Ziel war der Millenium Park, mit dem Cloud Gate, umgangssprachlich als „The Bean“ bekannt, als dessen Touristenmagnet. Auch wir waren von der glänzenden Oberfläche und den Spiegellungen fasziniert. Fast noch mehr Spaß machte es jedoch den Anderen zuzuschauen wie sie für Fotos posierten, vom Spagat bis zum Kopfstand kannten die Ideen keine Grenzen. Unseren Mittagssnack nahmen wir bei einem klassischen Konzert (vermutlich einer Probe) im Jay Pritzger Pavillon ein. Wir fuhren einmal quer durch die Innenstadt Richtung Norden, um weitere Gebäude von Frank Lloyd Wright zu finden. Am Ende fanden wir eines von Louis Sullivan in Zusammenarbeit mit Wright, das Charnley-Persky House von 1892. Durch Zufall kamen wir bei Mies van der Rohe’s 860-880 Lake Shore Drive Wohnkomplex vorbei. Diese wurden 1951 fertiggestellt, aber hätten in ihrem zeitlosen Stil auch erst vor kurzem erbaut werden können. Während einer Pause im Jane Addams Memorial Park wurden wir von einer netten älteren Dame angesprochen und Sie erzählte uns von sich und ihren Plänen mit einem Wohnmobil. Als Sie nach einer halben Stunde immer noch mit uns redete, mussten wir uns höflich aus der Affäre ziehen. Zwar wussten wir jetzt, dass erst kürzlich Einbrüche in Prada und weitere Nobelläden passiert sind, aber wir wollten dann doch bevor es dunkel wurde zurück am Auto sein – was glücklicherweise noch auf uns wartete.
Weiter geht es teils auf der berühmten „Route 66“ Richtung Oklahoma. Die Route 66, die heute nur noch stückchenweise auf Nebenstraßen vorhanden ist, war einmal die erste und längste Fernstraße Amerikas: von Chicago nach Los Angeles. Wir haben keine konkreten Zwischenstopps geplant und lassen uns überraschen. Und so beschließen wir dem Schild zu einem Route 66 Museum zu folgen und machen den ersten Abstecher vom Highway. Die Route 66 gibt es heute als offizielle Straßenbezeichnung nicht mehr, aber an ihrem ehemaligen Verlauf sind die Schilder „Historic Route 66“ aufgestellt. Meist verläuft heute eine Interstate, also eine Art Autobahn neben der alten Route, die wir meistens befahren um schneller voran zu kommen. Das Museum war eine alte Tankstelle und der ehemalige Bürgermeister der umgebenden Kleinstadt betreute Sie. Es gab eine kleine Werkstatt, die später angebaut wurde. Aber Tankstelle und Werkstatt verloren ihre Bedeutung als die schnellere Interstate die Route 66 ablöste. Aber wir erfuhren so einiges Interessantes über die Route 66, z.B. gibt es nicht nur Eine. Die Route 66 hat sich auch entwickelt und so wurde sie öfters immer weiter aus den Stadtzentren an den Rand verlegt. Der alte Bürgermeister erzählte uns von der Stadt Pontiac und dessen tollen kostenlosen Museen. Das Wetter war schön und die Fahrstrecke noch lang also beschlossen wir Pontiac als unseren nächsten Zwischenstopp anzufahren. Pontiac in Illinois ist eine kleine amerikanische Stadt, wie man sie sich zu den goldenen Zeiten der Route 66 vorstellen würde. Das Museum über die Route 66 war auch eher eines über die 1940er bis 60er Jahre und erinnerte eher an ein Sammelsurium von Sachen aus dieser Zeit. Wirklich überragend hingegen war eine Ausstellung über die Automarke Pontiac. Diese Autos haben nur zufällig eine Namensverwandtschaft mit der Stadt, aber von der ersten Pferdekutsche bis hin zum Rennwagen war es eine tolle Ausstellung.
Neben der Stadt lag der wohl günstigste Campingplatz der USA, aber Thomas hat auch harte Verhandlungen für den 10$ Deal geführt 😊 Denn unser Dilemma ist, es gibt Preise für Zelte (die nur einen Grasplatz brauchen) und Preise für die riesen „Wohnschiffe“ (so groß wie Reisebusse, die einen Wasser-, Strom-, und Abwasseranschluss benötigen) und wir sind die unbekannte Mitte, wir brauchen nur einen kleinen Platz zum Stehen, aber keine Anschlüsse. Genaugenommen wollen wir eigentlich nur eine warme Dusche – aber die gibt’s selten einzeln.
Unser guter Iveco fährt nur 50 Meilen pro Stunde (80 km/h) – so schnelle wie ein LKW in Deutschland eben darf. In den USA gibt es für LKW eigentlich keine besonderen Begrenzungen – sie fahren also 65 oder 70 Meilen und müssen uns überholen. Das passt einigen nicht, sie hupen uns an, wohl weil sie denken, dass wir nur aus Spaß so langsam fahren. In Kanada hat sogar mal jemand die Polizei angerufen, weil wir so langsam fahren, ein Officer sprach uns dann an einer Raststelle an. Um den hupenden Flitzern zu erklären das wir nicht aus Blödsinn so langsam fahren, erstellen wir ein A3-großes Hinweisschild „max. 50 mph / 80 km/h“ und klebten es laminiert an die Hecktür. Seither hupt keiner mehr.
Mittlerweile hat sich auch die Landschaft durch die wir fahren stark verändert – wir sind in den Great Plaines (Große Ebenen) angekommen, dem Heartland of America – da wo Amerika so ist, wie man es sich vorstellt. Endlose Weiten Nichts – im Norden Weizen- und Sojafelder, im Süden (u.a. Oklahoma, Texas) dann Graslandschaft / Prärie und Rinderzucht.
In Springfield Illinois sind wir auf Spurensuche mit der amerikanischen Vergangenheit. Hier lebte Abraham Lincoln mit seiner Familie von 1844 bis 1860 bevor er als Präsident nach Washington ins Weiße Haus zog. Das Wohnhaus sowie der umgebende Straßenzug wurde aufgekauft und gehört heute zu einem Nationalpark. Der gesamte Straßenzug wird aufwendig in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückversetzt, dafür wurden teils die neueren Häuser abgerissen und wieder ihrem damaligen Bild entsprechend aufgebaut. Teils befinden sich leere Grundstück an der Straße.
Der Besuch des Wohnhauses wurde man in kleinen, gut getakteten Gruppen durchgeführt. Obwohl es mitten in der Woche und um die Mittagszeit war, war der Andrang das Haus zu sehen groß. Lincoln war Präsident während des Bürgerkriegs und hat die Sklaven befreit – großer Nationalheld der Kerl.
Durch die Eingangstür gelangte man in einen schmalen Korridor der bis ans andere Ende des Hauses führte und von dem man Zugang zu allen Räumen im Erdgeschoss sowie im Obergeschoss hatte. Links schloss sich das repräsentative Empfangszimmer an. Hier wurden Gäste empfangen, aber das normale Familienleben fand auf der anderen Seite des Flures im Wohnzimmer statt. Auffallend waren die Teppich- und Tapetenmuster, die waren für unsere Augen recht schrill, aber wohl der damaligen Zeit entsprechend. Im Obergeschoss waren die Schlafzimmer, eines für Gäste, eines jeweils für Lincoln und seine Frau, eines für die Kinder und ein kleines für ein Hausmädchen. Die Küche und das Esszimmer lagen im hinteren Bereich des Erdgeschosses. Auch hier gab es wieder einiges, was für unser historisches Verständnis etwas merkwürdig war. Als man das Haus renovierte für die Ausstellungsnutzung fand man im Garten Murmeln. Diese wurden sofort als die Murmeln der Lincoln Kinder ausgegeben – aber das Haus wurde schon vor und nach den Lincolns bewohnt, also wo ist der Beweis zu wem die Murmeln gehören? Egal – Lincoln Murmeln, toll!
Wir waren überrascht als wir herausfanden, dass Frank Lloyd Wright auch in dieser Stadt tätig war. Das Dana-Thomas Haus wurde 1902 erbaut und gleicht mit seinen 35 Räumen eher einem kleinen Schloss.
Der nächste Stadtbummel erwartet uns in St. Louis, dem Tor zum Westen.