Georgien Teil 2 – von Kuchen und Ikonen

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07.05.2018 – Franzis Geburtstag stand bevor und wir versuchten uns im Kuchenbacken. Mit einer runden Springform und einem Deckel aus Alufolie bastelten wir einen Ofen auf unserem Gaskocher – das Ergebnis war nicht perfekt, aber durchaus essbar.

Den Tag verbrachten wir zunächst in Kutaisi – die Stadt hatte neben einer restaurierten Kathedrale noch eine schöne Parkanlage sowie einen großen Springbrunnen zu bieten. Lustig war eine kleine Verkaufsstraße: neben dem Fußweg ging es entlang einer Häuserfront immer wieder einige Stufen nach unten in ein halbes Kellergeschoss, so wie früher die Fenster zum Kohlekeller. Hier wurden aus den winzigen Verkaufsräumen vor allem Lebensmittel an die obenstehenden Passanten hochgereicht.

Durch eine Sperrung des Hauptkontenpunktes der Stadt, dem Verzicht auf eine Umleitungsbeschilderung sowie die Sperrung praktischer Ausweichstraßen war die Stadt wie festgeklebt und es dauerte ca. 1h bis wir es zum Kloster Gelati geschafft hatten, dass eigentlich direkt außerhalb der Stadt lag. Das Kloster liegt malerisch auf einem Hügel und ist durch eine hohe Mauer gesichert. Neben dem Kloster beherbergten die Mauern einst eine wichtige Schule und das Kloster genoss hohes Ansehen. Während der Sowjetzeit wurde das Kloster aufgelöst und die Gebäude verkamen – doch es scheint wieder Geld für die alten Kulturgüter zu fließen: die grauen Blechdächer wurden gerade durch farbenfrohe Dachziegel ersetzt und man sah auch wieder Mönche, die das Kloster belebten. Im Inneren der Kirchen war jeder Zentimeter ausgemalt, wo keine Figuren mehr hinpassten schmückten fantasiereiche Muster die Wände.

Auf der Weiterfahrt kamen wir sprichwörtlich nicht an einem georgischen Brauch vorbei: vor uns stauen sich die Autos schon zweireihig auf der schmalen Landstraße. Uns dauert es schließlich zu lang und wir drängeln uns vorbei: Grund für den Stau ist ein Trauerzug – und keines der Autos, auch wenn sie anscheinend den Toten nicht kennen, fährt daran vorbei. Die die es eilig haben hatten sich nur weiter vorn in die Schlange gedrängelt, um dann möglichst schnell weiterfahren zu können. Der Trauerzug macht sich natürlich auch nicht schmal, sondern blockiert im Schneckentempo die gesamte Fahrspur.

Tbilisi – die Hauptstadt Georgiens – erreichten wir erst am späten Abend und trotzdem waren die Hauptverkehrsadern überfüllt. Im Dunkel suchten wir uns am Ufer des großen Sees am Rande der Stadt ein ruhiges Plätzchen – trotz der idyllischen Lage war der See von einem breiten Grünstreifen umgeben und nicht zugebaut, nur ein paar Dreckpisten führten umher. Am nächsten Morgen erblickten wir ein gewaltiges Monument in einiger Entfernung am Ufer thronen. Dieses, wie das moderne Stonehenge in Übergröße wirkende Bauwerk, ist „Die Geschichte Georgiens“: auf ca. 30m hohen, 3*3m dicken Säulen sind die alten Helden Georgiens abgebildet, den Sockelbereich zieren biblische Szenen. Das Ganze wirkte eher verwahrlost, da an einigen Stellen die großen Platten noch fehlten, oder schon wieder abgegangen waren. Von Nahem war es riesig hoch, die Fotos zeigen manchmal Passanten zum Größenvergleich.

Wir erhaschen einen der begehrten Parkplätze direkt im Stadtzentrum und starten unseren Rundgang: die Stadt ist zu unserer Überraschung außerordentlich touristisch und gut mit eben diesen bevölkert. Durch die Fußgängerzone kommen wir am Puppentheater mit seinem markanten Uhrenturm vorbei, danach führen Stufen hinab zur Anchiskhati Kirche – die kann in ihrer finsteren Art jedoch nicht zum längeren Verweilen einladen.

Über die Friedensbrücke – eine elegante Konstruktion aus Stahl und Glas und ein ziemlicher Besuchermagnet – gelangen wir auf die andere Uferseite und auch hier fällt das Theater and Exhibition Center durch seine außergewöhnliche Architektur in Form von zwei Röhren auf: aber das Gebäude steht leer und verwahrlost.

Im kleinen Garten des Periszwaleba Klosters legen wir eine Pause ein. Vom Kloster kann man heute noch eine winzige Kirche besuchen, in dessen Inneren ein auf leuchtend blauem Grund gemalter Jesus einem entgegenlächelt. Auch vom einstigen Satschinopalast steht nur noch ein Stück der Mauer sowie ein Stück des Turmes.

Über die Metekhi Brücke ging es wieder auf die andere Uferseite zurück und durch die belebte Fußgängerzone, bis wir ein nettes Restaurant nach unserem Geschmack entdeckten. Das Essen war lecker, kam aber in großen Abständen: zunächst kam Franzis georgische Pizza, die sie großherzig mit dem verhungernden Thomas teilte. Danach trudelte dann auch seine Bestellung ein bis wir zu guter Letzt doch tatsächlich noch unsere Vorspeise erhielten.

Auf unserem Parkplatz treffen wir auf ein anderes deutsches Paar die mit ihrem Allrad-LKW gerade auf der Rückreise nach Deutschland sind. Wir tauschen uns mit unseren Erlebnissen aus und hören nur Gutes über den Iran – wir sind gespannt ob auch wir das Land besichtigen können.

Am nächsten Tag geht es zu einer zweiten Runde durch Tbilisi. Auf dem Flohmarkt kann man alles kaufen vom Silberlöffel bis zum Smartphone. Daneben erstreckt sich der Kunstmarkt auf dem vor allem Gemälde verkauft werden. An der Macht- und Pracht-Straße Rustaveli reihen sich die Prachtbauten wie Perlen an einer Kette: wir kommen vorbei am Parlament, dem Nationalmuseum und dem Kino. Zum Schluss schlendern wir noch durch ein einst schönes Wohnviertel, dessen Straßenzüge heute aber allesamt unrenoviert und heruntergekommen wirken und dadurch ihren eigenen Charme entfalten.

Bevor wir das Land verlassen zieht es uns noch einmal raus in die Natur und wir wählen eine Offroadstrecke um zur Klosteranlage von Dawid Garedscha zu gelangen. Dieses liegt direkt an der Grenze zu Aserbaidschan und wird von weiten Weidegründen, Steppe und Feldern umgeben. In diesen stehen vereinzelte ärmlich wirkende Häuser die wohl den Viehhirten gehören.

Das Kloster ist trotz seiner abgeschiedenen Lage gut besucht. In einer engen Felsschlucht bilden zwei hohe Mauern gemeinsam mit dem umgebenden Fels einen schützenden Innenhof – der Fels selbst diente teils mit seinen Höhlen als Behausung der Mönche. Über einen Wanderweg gelangten wir auf den das Kloster umgebenden Felsrücken und verließen laut Googlemaps-Karte kurz illegal das Land – hier waren wir schon in Aserbaidschan: zum Glück gab es jedoch keine Grenzbeamten. Der Wanderweg führte vorbei an weiteren Wohnhöhlen und einigen Felsenkirchen in denen teils noch gut erhaltene Fresken Wände und Decken schmückten.

Unweit des Klosters übernachten wir am Wegesrand und treffen zwei junge Franzosen, die mit einem alten VW LT unterwegs sind und an verschiedenen Stellen gegen „Kost und Logis“ arbeiten. Der kürzeste Weg zum Grenzübergang nach Armenien ist eher nur ein Feldweg, aber laut unserer Karte eine offizielle Straße. Aber immerhin kann man diese gut befahren – die Fahrt zwischen Rustavi und Marneuli hingegen ist einfach nur unfassbar. Die Asphaltstraße ist so durchlöchert, dass über große Strecken Spuren daneben im Dreck verlaufen damit man überhaupt vorankommt – und man bedenke: dies war die einzig mögliche Verbindungsstraße zur Grenze aus dieser Richtung.

Wir verlassen Georgien mit gemischten Gefühlen: zum einen waren wir hoch erfreut frisch geerntete Erdbeeren für einen Spotpreis direkt an der Straße erstanden zu haben. Zum anderen hieß es bei der Ausfahrt aus dem Land, es gäbe eine Versicherungspflicht und unsere deutsche Versicherung würde nicht anerkannt werden (also nur eine im Land gekaufte) und deshalb müssen wir eine Strafzahlung von 100 Lari (runf 30€) tätigen – immerhin erst wenn wir das nächste Mal wieder ins Land fahren und das kann noch eine Weile dauern.

Georgien erscheint uns als ein für Touristen sehr attraktives Land und der Tourismus ist stark im Wachstum begriffen. Die Preise sind (noch) günstig, das Land ist klein aber sehr vielseitig (Schwarzes Meer, Kaukasus, Steppe, Tbilsi, …) und mit seiner Mischung aus westlicher Orientierung und Sowjet-Überbleibseln hat es einen ganz eigenen Charme. Wir können das Land gern als Reiseland empfehlen, für Reisende die eine gute Mischung aus Natur und Kultur suchen.

Georgien präsentierte uns aber auch als Land der fehlenden Stoßstange und der unglaublich riskanten Überholmanöver. Gefühlt fehlte jedem fünfte Fahrzeug die Stoßstange – selbst nagelneu aussehende Mercedes fuhren stolz ohne Stoßstange rum. Warum bleibt unklar, vielleicht kaufen sie Unfallwagen in Europa und weil dann das Geld nicht mehr reicht um die Stoßstange zu reparieren bleibt sie einfach ab.
Die Überholmanöver sind eine ganz andere, unrühmliche Kategorie. Man kennt wilde Fahrer aus Italien und den südlichen Ländern, aber was der Georgier betreibt sprengt die Grenzen des Wahnsinns. Wenn ein Fahrzeug vor einem zu langsam fährt, muss es sofort überholt werden, das geht nicht anders. Warten? Unmöglich! Es kommt Gegenverkehr? Egal, soll der doch sehen wie er mir ausweicht. Wir sind in einer Kurve und können nicht sehen ob jemand kommt? Egal, probieren wir es einfach. Und es klappt auch immer, sie kommen immer damit durch. Aber man muss selbst ständig darauf achten, ob jemand aus dem Gegenverkehr zum Überholen in die eigene Spur zieht, weil man dann selbst ja ausweichen muss – wohl auch dafür gibt es oft einen Standstreifen aus Dreck an der Seite. So rasant überholen übrigens nicht nur Privatfahrzeuge, sondern auch die klapprigen weißen Marschrutka-Minibusse, die hier als Ersatz für den kaum vorhandenen ÖPNV überall herum fahren und die einem Touristen ohne Auto den Zugang auch zu den entlegensten Orten ermöglichen.

Nun sind wir gespannt was Armenien für Überraschungen für uns bereit hält. Aktuell ist eine politische Revolution im Gang, der Premierminister ist zurückgetreten und der Revolutionsführer „Nikol“ Patschinjan will die Macht. Mit einem landesweiten Streik und der Sperrung sämtlicher Verbindungsstraßen im Land, demonstrierte er vor ein paar Tagen seinen Rückhalt in der Bevölkerung. Wir sind gespannt was passiert – zumindest soll es friedlich sein, das ist schonmal beruhigend.

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