New England – bei Patrioten, Tee und weißen Bergen

on

18.08.2017 – Normalerweise findet man uns nicht vor dem Fernseher, wenn es um Sport geht. Eine Ausnahme bilden da die Übertragungen von American Football mit den New England Patriots. Während seines Austauschjahres 2003/04 in Amerika hat Thomas das Spiel kennen gelernt und die Patriots wurden zu seiner Lieblingsmannschaft. Dann hat er auch mich angesteckt und neben Übertragungen haben wir uns auch das ein oder andere Spiel von deutschen Mannschaften, wie der Dresden Monarchs, live angeschaut. Bei der Reiseplanung stellte sich heraus, dass das erste Spiel der Patriots in der Pre-Season, in ihrem Heimatstadium in Foxborough für uns erreichbar ist. Und so kauften wir uns (für ca. 70€ p.P) Tickets, packten unsere Patriots-Trickots ein und fieberten dem Tag entgegen.

Die Amerikaner scheinen nicht gern zu laufen und zahlen lieber teure Parkgebühren. 150$ hätten wir beim Stadium für das Parken zahlen müssen, mit einem ca. 20min Fußmarsch ersparten wir uns diese und parkten kostenlos. Auf unserem Weg zum Stadium gab es dann noch ein paar Läden, die ihre Parkplätze ebenfalls anboten, für einen 10min Fußmarsch kostete der Parkplatz dann nur 30$. Aber wie gesagt, Amerikaner laufen nicht gern und so waren wir die Einzigen auf dem kostenlosen Parkplatz.

Das Parken vor einem Footballspiel ist aber nicht nur das einfache Abstellen des Autos, viele Familien betreiben „Tail Gating“, neben dem Auto wird z.B. ein Grill aufgestellt und schon Stunden vor dem eigentlichen Spiel kommen sie zusammen und Essen gemeinsam – eine schöne Sache. Das Gilette Stadium ist einfach riesig, von Innen sogar noch gigantischer anzusehen, da das Spielfeld unter dem normalen Bodenniveau liegt. Da es ein Heimspiel war, waren die meisten Besucher so wie wir in Patriotsfarben gekleidet. Am häufigsten gab es das T-Shirt mit der Nummer 12 – Tom Brady – dem wohl bekanntesten Spieler der Mannschaft. Aber von Socken bis hin zur Mütze kann man sich alles mit Patriotslogo kaufen. Um die Sitzreihen herum gibt es verschiedene Essgelegenheiten und Nebenräume. Unsere Sitze waren in der obersten Ebene, die man nur über eine äußere Rampe erreichen konnte (das waren die einzigen Tickets die wir uns leisten konnten/wollten). Entgegen unserer Befürchtung, dass man von soweit oben nur schlecht etwas sieht, hatten wir eine sehr gute Sicht auf das Spielfeld. Da es ein Spiel in der Pre-Season war, in dem der Spielausgang keinen Einfluss auf die Statistik der Gesamtsaison hat, waren leider die bekannten Patriotsspieler nicht auf dem Feld und die Patriots haben das Spiel auch verloren. Nichtsdestotrotz war es ein unvergessliches Erlebnis, als alle Zuschauer aufstanden und andächtig der Nationalhymne lauschten. Und wenn während des Spielverlaufes die Patriots Punkten konnten oder einen kniffligen Spielzug meisterten, dann jubelte das ganze Stadion. Die Patriots haben als Mascotchen „echte Patrioten“ dabei, in historische Kleidung gehüllte Männer, die während des Spiels am Spielfeldrand stehen. Wenn gepunktet wird feuern sie aus ihren alten Waffen und schwenken die amerikanische Flagge. In den Pausen traten die Cheerleader auf und in der Halbzeit durften ganz junge Footballspieler (ca. zwischen 8- und 10 Jahren) auf das Spielfeld und eine Runde spielen.

Am Ende hat es leider nicht zum Sieg gereicht, was aber nichts am gigantischen Erlebnis einmal live bei einem Spiel dabei gewesen sein zu können änderte.

Weiter ging es Richtung Boston. Hier schauten wir uns zunächst nicht die Stadt an, sondern verbrachten einen Tag am Strand und gingen Wäsche waschen. Mit unserer Kleidung von zwei Wochen füllten wir gerade einmal die kleinste Waschmaschinenkategorie in diesem Laden. Die Amerikaner kamen mit Unmengen an Kleidungssäcken und füllten teils mehrere große Waschmaschinen. Nach dem Waschen ging die Ladung noch schnell in den Trockner und für 5$ hatten wir wieder saubere und trockene Wäsche.

Es ist schon wieder eine Woche rum und so gingen wir am Sonntag in die „Wollaston Church of the Nazarene“. Eine bis dato uns unbekannte protestantische Kirchenform. Das Gotteshaus war recht traditionell gehalten, feste Kirchenreihen und auch eine Orgel war vorhanden. Der Gottesdienst an sich war jedoch alles andere als „traditionell einschläfernd“ sondern der Pastor erzählte lebhaft warum wir eigentlich Sonntags noch in die Kirche gehen und was es mit neuen Liedern auf sich hat (nicht alles Neue ist schlecht).  Und er bezog sich in der Predigt auf jenes legendäre Patriots-Spiel, dem letzten Superbowl, das Tom Brady und seine Jungs nach phänomenalem Rückstand noch gewannen („In Tom we trust“). Danach gab es einen leckeren Beerenauflauf mit Vanilleeis im Vorgarten und wir kamen ein bisschen mit dem Pastor und einigen Anderen ins Gespräch.

Anschließend ging es in die Innenstadt und wir bewegten uns auf dem Freedom-Trail durch Boston. Dies ist ein städtisch angelegter Weg, der anhand einer roten Linie – meist Backsteine im Boden – einzelne Stationen der Freiheitsbewegung anlief. An und für sich eine schöne Stadtrunde war die Ausgestaltung des Trails doch eher enttäuschend. Zu den einzelnen Stationen gab es keine bis wenig Hinweistafeln. Am wohl beeindruckensten war der Charlston Navy Yard, dieser ist Heimathafen der USS Constitution, dem ältesten noch im aktiven Dienst stehenden Kriegsschiff der Welt. Ein wunderschöner 3-Master, welcher schon über 30 Schlachten siegreich miterlebt hat.

Boston an sich hat sich uns eher als ruhigere Stadt (im Gegensatz zu New York) präsentiert, obwohl es auch hier eine hohe Anzahl an Wolkenkratzern gibt. Aber auch Bston ist umgeben von einem verwirrenden Straßengürtel und es bedarf zwei Leute im Auto. Einer der fährt und der Andere, der versucht die Anweisungen des Navis mit den real existierenden Ab- und Auffahrten abzugleichen.

Gleich neben Boston liegt das beschauliche Cambridge mit der berühmten Havard Universität, welcher wir einen kurzen Besuch abstatteten.

Die Fahrt führt weiter in den Bundesstaat New Hampshire mit dem fragwürdigen Slogan „Live Free or die“ (Lebe in Freiheit oder stirb), welches auf ihren Autoschildern gedruckt ist. Anders als man jetzt vielleicht vermuten würde ist es ein wunderschöner Bundesstaat mit der White Mountains Region in ihrer Mitte. Dank eines Welcomecenters an der Autobahn konnten wir uns anhand diverser Broschüren ein Bild über die Region und die vorhandenen Sehenswürdigkeiten verschaffen. Wir entschieden uns als erstes den „Black Cap Mountain“ zu besteigen. Mit ca. 4 km Länge (hin und zurück) war es ein leichter Start um die Wanderschuhe zu entstauben. Und weil die Aussicht so toll war und wir uns noch ganz fit fühlten bestiegen wir gleich hinter her den „Kearsarge North Trail“. Mit ca. 5km (und 700 Hm Differenz) erklommen wir die Spitze, auf welcher ein historischer Feuerwachturm steht. Dieser diente bis Mitte der 1960er Jahre dazu, Waldbrände zu sichten, wurde aber mit den aufkommenden Flugzeugen obsolet. Als wir diesen Turm bestiegen und um die hintere Ecke der einstigen Wachstube blickten, konnten wir unseren Augen nicht trauen: da war ein echter Bär. Ein vermutlich noch junger Schwarzbär (nicht sehr groß) saß inmitten eines Blaubeerfeldes und aß. Der Wind stand günstig in unsere Richtung und so konnten wir den Bären ungestört beobachten. Aber wir waren doch sehr froh auf dem Turm zu sein und im Notfall auch in die Wachstube gehen zu können, denn was man macht, wenn man einem Bären Angesicht zu Angesicht begegnet wussten wir nicht. Irgendwann waren alle Blaubeeren gegessen und der Bär tappte zurück in den Wald. Wir machten auch eine Essenspause und gingen danach zügig wieder den Berg hinunter.

Durch unsere großen Wandererfolge ermutigt getrauten wir uns auch an die Besteigung des Mount Washington. Mit 1,916m Höhe ist er der höchste Berg im Nordosten der USA und bekannt für sein unberechenbares Wetter („the worst weather in the world“ – mit der höchsten je gemessenen Windgeschwindigkeit außerhalb eines Orkans – 378 km/h)

Mit dem Jewel Trail, welcher bei der Talstation der Mount Washington Cog Railway auf ca. 770 ü.n.N. beginnt, starteten wir die Besteigung. Nach ca. 10min trafen wir auf ein tolles Ehepaar und schlossen uns Ihnen an. Die Frau, frisch pensionierte Schuldirektorin und Thomas hatten viel miteinander über was sie sich austauschen konnten. Der Weg auf die Bergspitze begann als netter Waldweg, wurde jedoch bald schon zu einer wirklichen Berg-Besteigung, bei welcher man von Stein zu Stein schnell an Höhe gewann, aber auch schnell an seinen Kräften zehrte. Unsere Begleiter und wir trennten uns noch vor der Spitze, da Sie Mount Jefferson, eine weitere Spitze in der „Presidential Range“ als Ziel hatten.

Auf dem Weg nach ganz oben durchliefen wir verschiedene Bewuchsarten. Von dichtem Wald ging es über in Krüppelkiefern, bis schließlich nur noch Felsbrocken und Gras die Landschaft formten. Teilweise schien es keinen Weg zu geben und nur durch aufgeschichtete Steinhügel war die Richtung über die Steinfelder erkennbar. Sichtlich erleichtert erreichten wir die Spitze von Mount Washington, nur um festzustellen, dass sich all Diejenigen, welche mit Auto oder Bahn auf den Berg gekommen waren, freudig mit dem Gipfelschild fotografierten – welch Ironie. Wir auf der einen Seite, vom Wind zerzaust und eingepackt gegenüber den FlipFlop tragenden und ausgeruhten Möchtegernbesteigern. Und so eine Fahrt ist noch nicht mal günstig, die Bahnfahrt kostet 70$ und die Autofahrt p.P ca. 15$, laufen hingegen kostet nur Kraft. Aber was wollen wir uns großartig beschweren, normalerweise sind wir es, die lieber auf Berge fahren, als sie mühsam zu besteigen 😉

Beim wohl verdienten Snack im Informationscenter kam die Ansage für Wanderer, es sind nur noch 3.5h Tageslicht – oh je, jetzt lieber schnell wieder runter! Wir hatten gehofft der Abstieg über den Tuckerman Ravine Trail bis zu einer Bergsteigerhütte und danach entlang des Ammonoosuc Flusses wäre einfacher und vorallem schneller als der Aufstieg, doch hatten wir uns damit arg verschätzt. Größtenteils führte auch der Abstieg über Felsen und Gestein oft im 45°-Winkel hinab, wobei man jeden Schritt sorgsam setzten musste um nicht abzurutschen. Vorbei an atemberaubenden Aussichten, Wasserfällen und wilden Flussläufen hasteten wir, um es noch vor der Dunkelheit zu schaffen. Eine kurze Pause musste dann doch sein. Unsere tolle Bekanntschaft vom Aufstieg war hierbei unsere Rettung, von Ihnen hatten wir eine Tüte mit selbstgebackenen Keksen bekommen. Die waren nicht nur gut um die Kräfte zu erneuern, sondern auch für die Moral – Schokolade hilft Wunder gegen schmerzende Füße. Das letzte Stück durch ebenen Wald sind wir eher gerannt als gelaufen, aber wir schafften es noch kurz vor 20Uhr und der kompletten Dunkelheit wohlbehalten zum Auto zurück.

Jetzt geht es weiter nach Norden, nach Kanada!

Kommentar verfassen