Quebec – „bon jour hello!“

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24.08.2017 – Die letzte Station vor Kanada war Littleton. Hier erhofften wir uns eine ruhige Nacht am See und evtl. am nächsten Morgen eine Runde baden gehen zu können. Wir trafen auf ein Paar, im gleichen Alter wie wir, die ihr Leben für einige Wochen samt Hund in einem klassischen amerikanischen Van verbrachten. Auch sie wollten die Nacht über bleiben und so taten wir uns zusammen, holten die Kochsachen raus und verbrachten einen schönen gesprächigen Sommerabend am See. Unsere Gesprächsthemen verliefen zwischen Autos, Ernährung, Arbeiten in Amerika bis hin zum Gesundheitssystem. Es war ein spannender Einblick in ein anderes Leben.

Am nächsten Morgen ging es weiter nach Norden und wir überschritten die kanadische Grenze mit dem US Highway I-91. Die USA hatte keine extra Grenzwache aufgestellt und die Kanadische verlief innerhalb kürzester Zeit. Wir wurden nach der Dauer unseres Aufenthaltes, nach dem mitgeführten Bargeldbetrag sowie nach Lebensmitteln gefragt und ob wir denn genug Geld hätten um unsere Reise zu finanzieren. Es gab keine extra Dokumente für das Einführen des Autos, die Beamtin meinte auf die Frage, ob es denn dann auch problemlos wieder in die USA zurück kommen würde: wenn sie dich einmal reingelassen haben, werden sie dich wohl hoffentlich auch wieder reinlassen. Wir hoffen auf jeden Fall, dass sich die Wiedereinreise in die USA auch so problemlos gestalten wird.

Die Streets werden zu Rues, die Exits zu Sorties und man wird mit „bon jour  – hello!“ begrüßt – wir sind in Quebec – dem französischsprachigen Teil Kanadas. Die große Mehrheit hat hier als Muttersprache Französisch, Englisch können viele gut, aber lange nicht alle. Der Akzent ist ungewohnt, Thomas hatte, obwohl er schon ein bisschen Französisch kann, Schwierigkeiten die Menschen zu verstehen. Es klingt härter/rauer (englischer?) als das Originalfranzösisch, es hat viele eigene Worte/Formulierungen oder zumindest deutlich anders ausgesprochene Worte. Aber irgendwie hat man es dann doch verstanden. Hinweisschilder waren oft ausschließlich auf Französisch. Die Sprache wird per Gesetz forciert, sonst würde sie wohl vom Englischen verdrängt werden – Schulunterricht gibt es auch nur auf Französisch. Und nicht nur die Sprache, auch die Architektur (besonders die Alte) kommt einem oft sehr französisch vor.

Unser erstes Ziel in Canada ist Montreal, auf dem Weg dorthin hatten wir noch nichts geplant und so fuhren wir in Magog die Touristeninformation an. Erst nachdem sie uns viele mögliche Ziele genannt hatten sagten sie non-chalant: man dürfe in Gebiet übrigens nicht im Auto schlafen. Da wir nicht auf einen teuren Campingplatz wollten hieß das für uns, adé all ihr tollen Möglichkeiten, wir fahren in ein für uns passenderes Gebiet.

Kanada präsentierte sich uns so, wie man es erwartet: mit Wald, viel Wald. Die Autobahn schlängelte sich gefühlt stundenlang nur durch Waldgebiete in denen ab und an ein Berg auftauchte, der dann aber schnell wieder im Wald unterging. Ein Zwischenstopp war das Fort Chambly, kurz vor Montreal. Einst diente das Fort dazu den Wasserweg des Riviere Richelieu ins Landesinnere zu schützen, eine wichtige Südverbindung vom St.-Lawrence-Strom. Es wurde in einer Zeit errichtet, als der Wasserweg der einzige durch das Gebiet war und man ergo das Fort auch nur aus dieser Richtung angreifen konnte. Für uns sah das Fort zu klein und flach gebaut aus, aber deutsche Burgen sind auch für einen Landangriff ausgelegt. Eben dieses Detail brachte auch das Ende für das Fort mit sich, als es Straßen durch das Gebiet gab wurde es aufgegeben und zerfiel. Erste Bemühungen des Wiederaufbaus begannen am Ende des 19Jhd. Heute steht es makellos da und präsentierte sich uns sogar mit einer kostümierten Vorführung von Franzosen die Ihre Waffen luden und abschossen.

Montreal eroberten wir wieder mit unseren Fahrrädern, das Auto ließen wir auf der anderen Seite des Flusses Saint Laurent stehen. Über Fahrradbrücken gelangten wir auf die erste Insel, die Ile Notre-Dame. Diese Insel wurde aus dem Abraum für eine U-Bahnlinie (die zur Weltausstellung/Expo 1967 gebaut wurde) aufgeschüttet und auf ihr befindet sich u.a. eine Formel-1 Rennstrecke, die man mit den Fahrrädern überquert (andere Länder würden eine Formel-1-Rennstrecke wohl eher für weitere Autorennen nutzen, nicht so die Kanadier, hier dient sie als Fahrradweg, auf den Grünstreifen parken Autos für einen nahen Strand). Die nächste Insel ist die Ile Ste-Helene, auf ihr fand einst die Expo 67 statt. Berühmtestes Überbleibsel dieser Weltausstellung ist wohl die Biosphere von Buckminster Fuller. Dieser kugelartige Bau war einst der US-Pavillon, brannte bis auf seine Grundstruktur ab und dient heute als Hülle für ein Museum. Ebenfalls im Rahmen der Expo entstanden, steht im Hafengebiet der Stadt die Wohnanlage Habitat 67, das wohl spannendste an der ganzen Stadt für Franzi. 354 über- und ineinander gestapelte Betonquader gestalten eine Wohnanlage, in der jede Wohnung eine eigene Dachterrasse hat. Die Wohnungen sollten durch ihre industrielle Vorfertigung kostengünstig und auch für den kleinen Mann erschwinglich sein. Obwohl die Anlage längst nicht so groß umgesetzt wurde wie einst angedacht, kann man doch die Idee dahinter ablesen. Das heutige Bild der Anlage ist jedoch etwas durch den Zerfall getrübt. Der einst anmutige Sichtbeton wirkt schäbig grau und auf jeder Dachterrasse scheinen die Bewohner eine andere Idee gehabt zu haben den Platz zu verbauen.

Unseren Stadtbummel begannen wir auf dem Place d´Armes, ihn umgeben die Basilique Notre-Dame, der erste Wolkenkratzer der Stadt, der kleine Bruder des Empire State Buildings aus New York sowie die erste Bank der Stadt.

Vorbei am Place Jacques-Cartier, Vieux Palais de Justice, Hotel de Ville, und Marche Bonsecours gelangten wir zum Alten Hafen. Hier gibt es spezielle Essgelegenheiten – die Muv-Boxes. In Ihnen wird so manche Leckerei verkauft, wir entschieden uns für eine eher ungewöhnliche Spezialität der Quebecer – Poutine: Pommes mit Cheddarkäse, übergossen mit Bratensoße und dazu je nach dem noch extra Fleisch. Am Ende war es ein ganz schöner Matsch in der Schüssel, aber geschmeckt hat es.

An diesem Tag, dem 21.08.2017, gab es eine nicht vollständige Sonnenfinsternis in Montreal. Wir hatten zwar keine extra Brillen dafür, durften aber einmal durch eine selbstgebaute Box, eine Art Kamera Obscura, eines Montrealers schauen. Darin konnte man winzig klein die Sonne und den Schatten des Mondes sehen. Ansonsten konnten wir es anhand des Lichtes merken, dieses war deutlich kühler und auch die Temperatur nahm im Laufe der Sonnenfinsternis ab.

Um nicht zu weit laufen zu müssen holten wir die Fahrräder und machten uns zum Downtown-Distrikt auf. Die dortige Christ Church Cathedrale ist kleiner als der Name vermuten lässt, auch die Innere Farbgebung – dunkle Decke und heller Boden, lassen den Bau eher klein wirken. Direkt neben der Kirche führt eine Treppe nach la Ville Souterrain, einer Shoppingstadt unter der eigentlichen Stadt. Seit 1962 ist eine 32km lange Shoppinganlage entstanden. Zugänge gibt es von allen Metrostationen sowie einigen Bürogebäuden. Im Sommer angenehm kühl bietet es bei Minusgraden eine warme Zuflucht und schützt vor den Schneemassen. Bevor wir uns noch verlaufen konnten sind wir wieder an die Oberfläche zurückgekehrt. Zwischen den Hochhäusern stößt man auf die Skulptur „The Iluminated Crowd“ von Raymond Mason. Die starre Menschenmenge besteht aus 65 Figuren die die Abstufungen von erleuchtet (von einer Idee) bis zu jeglicher Ahnungslosigkeit darstellen. Abschluss unserer Städtetour war die Cathedrale Marie-Reine-Du-Monde, welche ein kleiner Nachbau des Petersdomes in Rom ist (die Größe ist unter Anderem den harten Wintern in Montreal geschuldet – man konnte nicht größer bauen, da man es nicht hätte heizen können).

Mit den Rädern mussten wir nun wieder über die Brücken und Inseln auf die andere Seite des Flusses und im letzten Abendlicht war dies eine durchaus schöne Fahrt, mit der rötlich hinterlegten Skyline. Als wir jedoch das letzte Stück auf der Ile Notre-Dame fuhren, war es aus mit der beschaulichen Fahrradrunde. Hier waren mit der Nacht abertausende Insekten erwacht, die sich nicht nur um die hell erleuchtete Rennstrecke tummelten. Die ganze Strecke am Ufer entlang fuhren wir durch einen nicht enden wollenden Teppich aus fliegendem Getier. Mit den Basecaps tief ins Gesicht gezogen und der Hand vor dem Gesicht fuhren wir so schnell es ging. Gekrönt wurde der Abend von einem Stopp an der letzten Fahrradbrücke. Die war gerade für die Durchfahrt eines Schiffes gesperrt und wir warteten 10min darauf endlich ins sichere, mücken- und insektenfreie Auto zu gelangen. Versöhnlich gestimmt wurden wir danach durch die Fahrt aus Montreal heraus, bei welcher die Skyline traumhaft schön erleuchtet war.

Unverhoffte Hilfe konnten wir einem Autofahrer leisten, der mit einem geplatzten Reifen am nächsten Morgen direkt neben unser Auto auf unseren „Schlaf-Parkplatz“ rollte. Nicht nur hatten wir das passende Werkzeug für den Reifenwechsel, wir konnten sogar seinen Ersatzreifen neu mit Luft aufpumpen. Der frankophone Mann konnte nicht so gut Englisch und so unterhielt er sich mit Thomas in einem Mix aus beiden Sprachen.

Wenn es einmal in Kanada regnet, dann scheinbar so richtig. Von einer auf die nächste Sekunde fuhren wir in eine Regenwand. Es wurde so heftig, dass wir uns lieber an den Rand der Landstraße stellten um abzuwarten. Die Kanadier schienen das Wetter gewöhnt zu sein, mit langsamerem Tempo und Warnblinkanlage fuhren Sie unbeirrt weiter.

In Kanada gibt es ein ausgewiesenes Streckennetz für Quadfahrzeuge. Aus einer Informationsstelle hatten wir hierfür Karten bekommen und die nette Dame meinte ihr Bruder fährt da wohl auch mit dem Jeep lang. Teils hatten wir Glück und konnten ein wenig offroad fahren. An anderen Stellen war die Strecke zu schmal für unser Auto, oder die Regenfälle der Vortage hatten die Wege zu aufgeweicht, so dass wir eher im Matsch versanken, als vorwärts zu kommen. Schließlich gaben wir uns zufrieden und probierten es nicht mehr die teils versteckten Wege ausfindig zu machen.

Auf einer unserer Zwischenstopps wurden wir mal wieder wegen unseres Autos angesprochen (das passiert ziemlich oft). Doch diesmal war auch unser Gegenüber mit allen Wassern gewaschen. Vor 30 Jahren bestieg Francois als Erster und bisher Einziger mit seiner Expedition den K2 (Pakistan), den zweithöchsten Berg der Welt, im Winter – ein Berg der ohnehin schon als deutlich schwieriger als der Mount Everest gilt. Sein Leben dreht sich immer noch um das Reisen, 2-6 Monate ist er jährlich unterwegs. Dazwischen macht er diverse Jobs, oft gleichzeitig, um dadurch seine Trips zu finanzieren. Vom Teamwork-Kursleiter, über Feuerwehrmann, zum Bergsteiglehrer oder im Kindersommercamp arbeitet er für seinen Traum, das Reisen.

Kanada feiert 150 Jahre das Bestehen von Canada. Zu diesem Festjahr gibt es kostenlosen Zugang zu den Nationalparks, wie auch historischen Stätten. Das der Nationalpark Mont-Tremblant, den wir uns anschauen wollten, nun ausgerechntet nicht dazu gehörte fanden wir vor dessen Toren heraus. So bestiegen wir den geich daneben liegenden Mount Elephant. Dieser ist Privat und der Besitzer errichtete gerade einen Zaun um den Parkplatz, da er keine Übernacht-Parker darauf haben wollte. Aber für unsere Wanderung durften wir dort stehen. Thomas quatschte eine Weile mit ihm und einer seiner Kumpels bot uns auch an, einfach auf seinem Stück Land, auch gleich am Nationalpark gelegen, zu übernachten – was für eine wundervolle Entwicklung.

Die Tour beim Mount Elephant dauerte ca. 2h, teils war der Weg eher ein kleiner Bach aber oben angekommen wurde man mit einer schönen Aussicht über Wälder und Seen belohnt.

Auf unserem Privat-Übernachtungsparkplatz gab es sogar einen Bach mit kleinem Wasserfall den wir zum Duschen nutzen. Klingt schön, war aber Abends 19 Uhr und mit Temperaturen unter 20C eher ein sehr kurz gehaltenes Vergnügen.

Der Nationalpark Mont-Tremblant hat nicht nur einen Eingang und so parkten wir auf einem außerhalb gelegenen Parkplatz und liefen via Wanderroute in den Park hinein. Wir bestiegen zunächst Mount Timber und von diesem auf den Berg Tremblant. Hier spuckt eine Gondel Touristen vom Tal aus, aber die Aussicht ist auch wirklich sehenswert. Mit einem recht steilen Abgang wanderten wir in das gleichnamige Dorf zum Berg, Mont-Tremblant-Village. Hier fand gerade ein Yogafestival namens „Wanderlust“ statt (für Thomas‘ Englisch-Schüler: das englische Worte Wanderlust kommt zwar aus dem Deutschen, bedeutet im Englischen aber nicht die Lust aufs Wandern, sondern eher das „Fernweh“ – kann man sich mal im Vokabelheft notieren). Das Dorf selbst war ein schön – fast kitschig – gestaltetes Ski-Touristendorf mit einer kleinen kostenlosen Gondelbahn quer durchs Dorf und über die Hotels hinweg. Am Ende wartete sogar ein kostenloser Shuttelbus auf uns, der uns wieder zum Parkplatz brachte.

Weiter ging es Richtung Süden, wieder der Wärme entgegen. Denn in dieser nördlichen Region wurde es schon richtig kühl – Franzi saß schon mit zwei Fleecepullis im Auto und schaute immer noch verfroren drein.

 

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