28.02.2018 – Das kleine Nest Wirrulla ist die Grenze von Asphaltstraße zu unbefestigter Piste – eine scheinbar kleine Änderung macht doch so viel aus: vom schnöden Dahinfahren geht es endlich wieder abenteuerlich weiter. Hier draußen ist weit und breit kein Mensch, die Natur ist harsch und bietet selbst für Tiere nur wenig zum Überleben. Und doch gibt es Sie: wir sehen eine Kängurufamilie mit Jungtier, das sich von uns verängstigt in den Beutel seiner Mutter zurückzieht. Auch Emus rennen zwischen den Büschen wild umher und sind völlig außer Rand und Band – außer die Familien mit Kleintieren, die können anscheinend noch nicht schnell rennen und nehmen sich alle Zeit der Welt um die Straße vor uns zu Kreuzen. Zwar ist das Wetter immer noch grau in grau, aber immerhin regnet es nicht mehr und ein leuchtend oranger Sonnenuntergang am Abend verspricht, dass es wieder sonnig werden wird.
Wir gelangen wieder auf einen asphaltierten Highway und über diesen nach Coober Pedy (Aboriginal Sprache für „weißer Mann im Loch“ – ein Name der treffender kaum sein könnte): einer Stadt die nur wegen der Opalvorkommen entstand und heute noch besteht – 80% der weltweiten Opale kommen aus dem kleinen Ort. Und der weiße Mann gräbt hier nicht nur im Loch, sondern er wohnt auch dort. Da es in dem Ort unglaublich heiß ist, haben viele Einwohner ihre Wohnung in die Hügel der Stadt gegraben. Die Häuser stehen alle am Hang und man sieht nur ein kurzes Vorhaus, das als Eingang dient – der Rest der Wohnung liegt dahinter im Berg. So ein bisschen wie das Auenland der Hobbits bei „Herr der Ringe“. Der Grund: unter Tage hat es konstant 23 Grad – egal ob es draußen 45 Grad plus oder 5 Grad minus sind. So spart man jede Menge Energiekosten.
Dank dem Visitorcenter erfuhren wir von einem kostenlosen Museum sowie den weiteren Sehenswürdigkeiten – zu denen auch eine einfache katholische Kirche gehört: was Sie so besonders macht ist ihre Bauweise, Sie ist ebenfalls in den Stein gegraben.
Die Opale selber werden in Bergwerken – langen Schächten unter der Erde – gefördert; mittlerweile alles außerhalb der Stadt. Wir besichtigen auch die anglikanische Kirche „Catacomb Church“– ebenfalls in den Berg gehauen und haben ein nettes Gespräch mit dem Pastor.
In Coober Pedy kann man auch als Tourist sein Glück bei der Opalsuche versuchen – allerdings nur auf alten Abraumhügeln. Natürlich war Franzi begeistert von dieser Idee, aber die großen Funde wollten sich nicht zeigen und das umherschaufeln von Dreck brachte keinen Erfolg. Am Ende war es Thomas der einen winzigen Opalsplitter einfach auf der Oberfläche der Hügel in der Sonne glitzern sah.
Der nächste Tag war ein Sonntag und da wir den Pastor der anglikanischen Kirche so sympathisch fanden besuchten wir dessen Gottesdienst. Die Lieder waren von einem Schifferklavier und einer Trompete begleitet und klangen nach Seemannsliedern – etwas merkwürdig mitten in der Wüste. Wir waren sehr willkommen, vergrößerten wir die Zuschauermenge durch unsere Anwesenheit doch um glatte 25%. Nach dem Gottesdienst gab es noch Tee und Gebäck und der Pastor zeigte uns noch die weiteren, in den Stein gehauenen Räume der Kirche. Danach entführte uns seine Frau und zeigte uns ihre Wohnung, die angrenzend an die Kirchenräume errichtet war. Auch diese war in den Stein gehauen: aber kam uns garnicht wie eine dunkle Höhle vor. Nur die vordersten Räume hatten direkte Fenster nach draußen, weiter hinten gab es entweder einen offenen Bereich zum Vorderzimmer oder gar kein Fenster sondern nur einen Luftschacht nach oben. Auf unsere Frage ob man sich hier nicht unwohl fühlte meinte die Pastorenfrau, dass es eigentlich ganz schön ist sich vor den harschen Temperaturen draußen zurück ziehen zu können. Hinzu kommt, wenn man keinen Nachbarn hat und Platzprobleme kann man einfach einen Raum vergrößern oder neue Räume ausbuddeln und so die Wohnung erweitern. Nachwuchs steht an? Kinderzimmer ausbuddeln! Die Frau des Pfarrers wollte z.B. einen Nachttisch haben – der Pfarrer griff zur Spitzhacke und hackte eine Nische in den Stein. In der Stadt soll es wohl auch mal passiert sein dass, eine Frau gern einen kleinen begehbaren Kleiderschrank haben wollte. Der Mann fand das natürlich albern, buddelte aber trotzdem los und fand genau dort Opal im Wert von 20.000 Dollar. Die gab ihm den Anlass das kleine Ankleidezimmer zu einem großen Ankleidezimmer auszubauen und er fand weitere 50.000 Dollar. Er buddelte noch weiter, fand aber nichts mehr. Also Männer, wenn die Frau ein Ankleidezimmer wünscht, muss das nicht unbedingt etwas Negatives sein.
Zurück im Kirchenraum hatten wir noch ein spannendes Gespräch mit einem älteren Herren: er ist Rentner und erst vor 2 Jahren in die Stadt gezogen, weil er die Opalsuche so faszinierend fand. Von Ihm erfuhren wir wie die Suche genau funktionierte und was es bedeutet überhaupt sein Leben auf Opalen zu gründen. Denn entgegen unserer Vermutung sind hier keine großen Firmen am Werk, sondern vor allem Einzelpersonen die sich ein Stück Land pachten und unter diesem dann ihr Glück versuchen. Doch auch wenn Sie etwas finden ist es ratsam das nicht zu zeigen, sonst kommt vielleicht jemand in der Nacht und sucht illegal in ihrer Mine. Es kann aber auch vorkommen, dass man über Monate nichts findet und trotzdem, auch ohne Lohn, überleben muss. Auf die Frage ob man denn mit Opalen Geld verdienen kann meinte er: „The Taxman doesn’t come to Coober Pedy“ – bedeutet: offiziell findet hier niemand etwas, denn sonst müsste man ja Steuern zahlen. Es scheint uns ein hartes Leben zu sein das andere Regeln und Gesetze als Außerhalb befolgt – eine wirklich außergewöhnliche, schräge Stadt.
Es geht weiter ins Landesinnere Richtung Oodnadatta. Die Umgebung ist flach und ohne jeglichen Bewuchs – tausende Lichtreflexionen, zu viele um von Scherben zu kommen, ziehen unsere Aufmerksamkeit auf sich: es handelt sich um wie Glas wirkende Quarzplatten, die auf der Oberfläche verteilt liegen – woher sie kommen ist uns allerdings unklar. Büsche und Bäume wachsen nur nahe der (zumindest oberflächlich) ausgetrockneten Bachläufe und ziehen bandartige grüne Streifen durch das Land. Ein Abstecher führt uns zur sogenannten „Painted Desert“ – unvermittelt ragen hier ausgewaschene Hügel empor deren Farbschichten verschiedene Orange- und Gelbtöne umfassen. Unser kleiner Spaziergang wird durch die unbändige Anzahl an Fliegen zu einem sehr unangenehmen Ausflug – die kleinen Biester ließen uns keine Ruhe und umschwirrten unermüdlich unsere Gesichter. Neben starkem Wind waren es vor allem die Fliegen, die so manch einen Übernachtungsplatz mit ihrer Anwesenheit vermiesten. Erst wenn es dunkel wurde verschwanden die Fliegen, aber wenn wir Pech hatten kamen dann Mücken an ihre Stelle.
Schließlich kamen wir in Oodnadatta an – einem einst wichtigen Anlaufpunkt der Eisenbahn – Heute jedoch nur noch Durchgangsstation mit einer Tankstelle und einem kleinen Supermarkt mit astronomischen Preisen. Die Stadt liegt abgeschieden im Nichts, 120 Einwohner, hauptsächlich Aboriginals – Arbeit gibt es keine, die nächste Stadt ist 200km entfernt. Alkoholismus scheint so groß zu sein, dass die Stadt sich selbst zur „dry community“ erklärt hat, d.h. es wird kein Alkohol verkauft und auch als Tourist darf man keinen mitbringen. Kontrolliert wird das natürlich nicht. An einer Schautafel liest man über die Geschichte der Stadt einen Artikel der erklärt, dass die Stadt seit dem Wegfall der Eisenbahn den Bach runtergeht – der Artikel stammte aus den 1930er Jahren. Warum man hier freiwillig wohnt erschließt sich uns nicht – immerhin: es gab einen kostenlosen Gasgrill.
Von hier aus ging es zum Witjira Nationalpark und den darin befindlichen Dalhousie Quellen. Im australischen Winter wohl ein beliebtes Touristenziel waren wir hier im Sommer völlig allein – auch dem Weg durch den Nationalpark sah man an, dass er noch nicht für den Ansturm vorbereitet war: größere Auswaschungen veranlassten uns dazu sehr langsam zu fahren. Im Nationalpark standen die Ruinen eines größeren Anwesens, was einst einem Pächter gehörte der hier Viehzucht betrieb. An einer Quelle hatte er hier mehrere Wohn- und Arbeitshäuser errichtet sowie die Eintreibstation des Viehs. Da es hier so wenig Holz gibt waren alle Gebäude aus Stein errichtet und dementsprechend auch über die Zeit erhalten geblieben. Außer direkt an der Quelle gab das Land nicht viel her – so waren und sind auch immer noch die Einzugsgebiete der Viehzucht gigantisch groß und die Tiere ziehen frei umher um sich ihre Nahrung zu suchen.
Die Dalhousie Quelle ist eine offene, von viel Grün umgebende heiße Quelle mit ca. 36 Grad warmem Wasser. Als wir tagsüber hineingingen wurde es uns schon nach kurzer Zeit zu warm: die Sonne von oben und das warme Wasser von unten waren zu viel für uns. Aber wir versuchten es nochmals im dunkeln: der Mond leuchtete uns den Weg und dank Poolnoodeln konnten wir gemütlich im warmen Wasser sitzen – was für eine schöne Abwechslung in der Wüste.
Von der Quelle aus würde die Strecke weiter in die Simpson Wüste führen, die ist jedoch im Sommer wegen zu hoher Temperaturen komplett geschlossen und so ging es für uns wieder zurück nach Oodnadatta. Da wir früh losfuhren um dem heißen Wetter zu entgehen begegnete uns am Straßenrand eine riesige Echse – die war noch nicht so schnell auf den Beinen und maß von Kopf bis Fuß über einen Meter – echt verrückt. Die Echse war so super getarnt, hätte sie nicht direkt auf der Straße gesessen, wir hätten sie nie entdeckt.
Wir fuhren Richtung Süden entlang der alten Gahn – Bahnstrecke: diese wurde im späten 19 Jahrhundert erbaut und war eine wichtige Verbindung ins rote Zentrum Australiens. Sie diente zum einen dem Warentransport ins Landesinnere, zum anderen aber transportierte sie vor allem das gezüchtete Vieh an die Küste. Überall wo die Bahn stoppen musste, sei es um Vieh aufzuladen, eine Verpflegungspause für die Mitreisenden zu haben, oder um Wasser nachzufüllen- entstanden florierende Orte.
In den 1930er Jahren wurde die Strecke teilweise und um 1980 komplett eingestellt und verlegt: heutzutage braucht die Bahn kein Wasser mehr – sodass die neue Strecke geradliniger verlaufen kann, andererseits wurde die Bahn auf eine neue Schienenbreite umgestellt. Die einst lebendigen Ortschaften verfielen so schnell wie sie entstanden waren und heute sieht man von vielen Orten nur noch einige klägliche Steinruinen. Ansonsten sieht man als Autoreisender noch den ehemaligen Bahndamm – aber meistens fehlen die Schienen, ab und an steht noch eine Brückenkonstruktion – aber das war es dann auch schon.
Wir kommen durch William Creek: mit 16 Einwohnern das kleinste Dorf Süd-Australiens, aber außer hohen Dieselpreisen hat es nichts Besonderes an sich.
Am Lake Eyre angekommen erinnert nur noch der Name an das einstige Wasservorkommen, heute ist alles ausgetrocknet und die versalzene Oberfläche gaukelt den Augen nur noch vom kühlenden Nass vor. Ist aber kein neues Phänomen, in der Zeit der europäischen Siedler führte er noch nie Wasser. Die Marree Hergotts Quelle war einst ein Grund um hier eine Siedlung für die Eisenbahn zu errichten, doch schon nach wenigen Jahren reichte das Wasservorkommen nicht mehr aus und heute ist nur noch eine klägliche, stinkende Pfütze übrig. Das Dorf selbst ist wie auch schon viele andere nach dem Wegfall der Bahn verfallen, aber noch immer bewohnt. Im Gegensatz zur Geisterstadt Farina – hier stand wirklich einst eine größere Gemeinschaft mit Lebensmittelladen und Polizei, aber nach dem Wegfall der Viehzucht und der Bahnlinie sind alle Bewohner verschwunden und heute wieder nur noch Reste der alten Steinhäuser zu besichtigen.
Neben der ehemaligen Eisenbahn begegnen uns ab und an Orte der Aboriginals – so zum Beispiel die Ochre Clifs – ein geschütztes Kliff von dem auch noch heute Oker von den Aboriginals abgebaut wird. An und für sich sind wir den Aboriginals nicht wirklich auf unserer Reise begegnet, in manchen Städten sah man sie betrunken vor den Supermärkten. Andernorts gab es extra Alkoholverbot in der ganzen Stadt, um so die Probleme einzudämmen. An den für Aboriginals heiligen Orten gab es Erläuterungstafeln über einstige Handelsrouten, Geschichten und das allgemeine Leben, die uns kleine Einblicke in ihr Leben gewährten. Man hatte allerdings den Eindruck dass diese Schilderungen ein vielleicht verzweifelter Versuch ist den Aboriginals, die derzeit am Rand der Gesellschaft stehen, eine Identität und ein Selbstbewusstsein wiederzugeben, das ihnen ermöglichst aus dem Teufelskreis der Armut zu entkommen. Das scheint jedoch nur mäßig zu funktionieren – das Cliché des betrunkenen Aborginal sahen wir nur zu oft bestätigt. Eine traurige Parallele zu einigen Indianergebieten die wir in den USA durchfahren sind.
Langsam haben wir genug von der ewig scheinenden Wüste, es ist einfach zu flach für unsere Augen und wir hoffen dass wir weiter im Süden wieder in bergigere Gebiete gelangen.