Türkei Teil 2 – von hölzernen Pferden und griechischen Steinen

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10.04.2018 – Troja, unsere nächste Station, kennen viele vermutlich dank des Klassikers von Homer oder der Hollywoodverfilmung mit Brad Pitt, aber sehr groß scheint das Interesse dann doch nicht zu sein, denn die Anlage ist relativ leer. Es gibt ein paar Reisebusse gefüllt mit Schulklassen und Besuchern aus Fernost, aber die werden sehr schnell über die Hauptwege entlang der Ruinen geführt und sind schnell wieder weg. Und eigentlich gibt es auch nicht viel zu sehen, außer jeder Menge Steinen – Erläuterungstafeln erklären einem (sogar auf Deutsch) um welches Zeitalter es sich handelt, aber es bedarf schon viel Fantasie hier die große und mächtige Stadt zu erkennen. Wir finden es trotzdem spannend durch die von Homer zum Leben erweckte Geschichte zu laufen. Am Rande der Ausgrabungen liegen dann die eigentlich interessanten Stücke wie Säulen und Steinschmuck lieblos im Gras auf Haufen – die hätte man ja mal wieder im Gelände verteilen können. Es sollen auch noch immer jährliche Ausgrabungen im Sommer stattfinden, doch davor muss erstmal kräftig Unkraut gejätet werden – aus allen Ecken sprießt es kräftig. Das verwirrende an Troja ist, dass es nicht das eine Troja gibt, das Homer beschreibt, sondern es gibt 12 verschiedene „Trojas“ die alle übereinander liegen, da die Stadt nach Zerstörungen einfach eingestampft und oben drauf wieder neu erbaut wurde. Heinrich Schliemann, der berühmte deutsche Entdecker der Stadt (man ging lange davon aus dass Troja nur eine Fiktion Homers sei), musste sich also durch viele Schichten wühlen, denn Homers Troja ist die Schicht Nummer 2 – fast ganz unten. Da die Archäologie auf solche geschichteten Grabungen damals noch nicht eingestellt war und nicht wusste was man damit machen sollte, zerstörte er dabei an einigen Stellen die oberen Schichten.

Über schmale Landstraßen geht es bis zum Ausgrabungsort Alexandreia Troas – zwar nur mit einem kurzen Absatz im Reisebuch erwähnt bot dieser Ort allerhand Sehenswertes und auch der Apostel Paulus hatte es vor 2 Jahrtausenden besucht. Zwischen hohem Gras erhoben sich noch ganze Mauerreste und man konnte die Umrisse von Gebäuden erahnen. Eingezäunt gab es verschiedene Friese deren Figuren noch in erstaunlich gutem Zustand waren und mitten im Gras lag eine Tempelfassade – so wie sie wohl einst gestanden hatte. Den Ort gab es schon vor 2000 Jahren und es war uns unbegreiflich, wie er hier so ohne Beachtung hindümpelte – aber über die holprigen Landstraßen verirrte sich wahrscheinlich selten ein Tourist. Ein paar Meter weiter die Straße entlang gab es noch ein paar Steinbögen die von der einstigen Thermenanlage übriggeblieben waren. Auf der anderen Straßenseite stand nur noch ein unförmiges Mauerstück welches wohl einmal ein Tempel gewesen war, was man sich aber echt nicht mehr vorstellen konnte. Fast alles war frei zugänglich, die Landstraße ging mittendurch, man konnte überall herumlaufen.

Auf dem Weg zum Übernachtungsplatz wurden wir von stark bewaffneten Polizisten angehalten, da diese jedoch nur bruchstückhaft Englisch sprachen wussten wir zunächst nicht was sie wollten. Am Ende schauten sie unsere Ausweise an sowie einmal ins Auto und wir konnten weiterfahren. Wir übernachten direkt am Meer, das sich friedlich und ohne Wellen vor uns erstreckt. Leider ist es abends noch zu kalt um draußen zu sitzen, aber tagsüber klettern die Temperaturen schon auf die 20 Grad.

Auch die nächste Nacht verbringen wir am Strand, aber diesmal in Nachbarschaft zu einem merkwürdigen Ferienhäuser-Dorf. Blockweise stehen hier exakt die gleichen Häuser in Reih und Glied, Unmengen davon, aber alle sind sie leer und warten auf ihre Sommergäste.

Wir erreichen den Burgberg auf dessen Spitze das alte Pergamon thront und fahren einmal bis nach oben und parken auf einem kleinen Parkplatz – die Touristenmasse wird eigentlich via Seilbahn hochgebracht, da es oben keinen Platz für die Reisebusse gibt. Die Hauptwege sind mit Holz ausgelegt, aber es steht einem frei sich durch die mit Wildblumen geschmückten Ruinen zu bewegen. Besonders eindrücklich ist das Theater, welches den natürlichen Hang ausnutzt und einen fantastischen Blick auf die umgebenden Hügel bietet – es bot einst Platz für 10.000 Zuschauer.

Der Burgberg bot nur wenig gerade Flächen und so bauten zunächst die Griechen hohe Mauern die sie dann verfüllten, die Römer hingegen errichteten hohe Gewölbe für neue Plateaus. Diese waren seinerzeit ungenutzt, heute lagerte darin allerhand Kleinfunde und Material der Ausgrabungsstätte. Wir sind fast ganz allein unterwegs, bis eine Horde Kinder die Anlage stürmt und die umherliegenden Säulen als Spielplatz benutzt – ganz in der Tradition ihrer Vorfahren: auch diese waren wenig beeindruckt von den Marmorfunden und nutzen diese um Kalk zu brennen. So kommt es, dass heute viele Teile des einstiegen Haupttempels fehlen – aber ein paar Passende wurden trotzdem wieder aufgerichtet und vermitteln einen guten Eindruck von der einstigen Größe.

Das Fundament des berühmten Pergamonaltars, der in ganzer Größe im Pergamon-Museum in Belrin zu bewundern ist liegt unscheinbar am Rande des Burgberges und man sieht nur noch die Fundamente. Wir lernten dazu, dass Carl Humann den Tempel nicht als Ganzes vorfand, mal eben abbaute und nach Berlin verschickte, sondern dass er die Einzelteile des Tempels in einer von den Byzantinern errichteten Stadtmauer verbaut entdeckte und zusammenpuzzelte. Zwar schmuggelte er diese dann trotzdem halb-illegal aus dem Land, aber immerhin hat er sich dafür Mühe gemacht sie zunächst zu finden.

Vor der nächsten Ausgrabungsstätte, Ephesos – der berühmten Stadt in der Apostel Paulus gefangen war – machen wir wieder Halt am Meer und entdecken einen Mann, der versucht seinen VW T5 Kleinbus mit einer Hacke aus dem Sand zu schaufeln. Er hatte kein Allrad und war zu weit in den weichen Sand gefahren. Wir überlegen nicht lang und kurze Zeit später könnten wir mit unserem Iveco das Auto aus dem Sand ziehen. Zum Dank gibt es ein Bier an der nahen Strandbar. Die Verständigung ist schwierig, aber mit Hilfe von google translator geht es dann doch ganz gut.

Ob es am Wochenende lag oder einfach, weil es hier viel zu sehen gibt: Ephesos war gnadenlos überrannt von Touristen und wir mitten unter Ihnen. Im Theater sangen asiatische Reisegruppen lautstark ihre Lieder und vor jeder Sehenswürdigkeit war eine Reisegruppe versammelt. Aber die Ausgrabungsstätte schien auch besser auf solche Massen vorbereitet zu sein: es gibt breite Wege und die verschiedenen Bruchstücke von Säulen und Dergleichen liegen ordentlich aufgereiht am Wegesrand und nicht wild auf Haufen.

Die Stadt lag einst am Meer und war ein wichtiges Handelszentrum, doch durch einen nahegelegenen Fluss versandete der Meereszugang und es war zu aufwendig den Zugang freizuhalten – heute sind es ca. 7km zwischen dem Hafen und dem Meeresufer. Mit dem Wegfall des Hafens verschwand auch der Nutzen der Stadt und sie versank langsam in der Bedeutungslosigkeit.

Werbeschild der Anlage ist die wiedererrichtete Fassade der Celsus-Bibliothek: hier tummeln sich auch die meisten Touristen. Weiter abseits gelegene Ausgrabungen erscheinen deutlich ungepflegter – manche sind sogar nicht mal mehr im Gelände inbegriffen sondern liegen außerhalb hinter Zäunen und sind wieder überwuchert.

Uns ist aufgefallen: die einzelnen Ausgrabungsstätten werden oft durch ausländische Fördergelder beim Aufbau finanziert. Troja und Pergamon durch Deutschland, Ephesos durch Österreich, Hierapolis (kommt als nächstes) von Italien – aber das hindert die Türken natürlich nicht daran erstaunlich hohe Eintrittsgelder zu verlangen, von denen die ausgrabenden Länder sicherlich nichts sehen werden.

Außerhalb von Ephesos liegt die Siebenschläfer Grotte – zwar nicht sonderlich interessant zum Anschauen hat sie jedoch eine spannende Geschichte. Hier sollen einst 7 Christen, da sie ihrem Glauben nicht abschwören wollten, eingemauert worden sein – was ihren sicheren Tod bedeutete. Ein Jahrhundert verging und das Christentum war mittlerweile im Land angesehen. Ein Bauer wollte die Höhle nutzen und brach deshalb die gemauerte Wand wieder auf: die 7 Christen traten unversehrt daraus hervor und dachten nur lang geschlafen zu haben.

Weiter im Landesinneren treffen wir auf ein Naturphänomen der besonderen Art: mitten im Frühling liegt vor uns ein Hügel im Flachland der aussieht, als läge eine dicke Schneeschicht auf diesem. Wir sind in Pamukkale angekommen und sehen auf Jahrhunderte alten Kalk der mit einer heißen Quelle oberhalb des Hügels austritt. Barfuß darf man über die weiße Oberfläche laufen, meistens ist sie glatt, aber es gibt auch Stellen wo sich kleine Rillen gebildet haben die schmerzhaft beim Laufen sind. Ab und an gibt es ein künstlich angelegtes Wasserbecken für Badegäste (war noch zu kalt) – früher durfte man wohl noch in den natürlichen Becken baden. Auf dem Weg nach oben wird das Wasser immer wärmer, bis es eine angenehme Badewannentemperatur von 37 Grad erreicht hat.

Weiter den Berg hinauf gelangt man zu den Ruinen von Hierapolis – diese liegen fast ungestört zwischen einem Meer aus Wildblumen und nur selten kommen die Touristen bis hier her. Das Theater war mit einem Bühnenhaus noch gut erhalten, des Weiteren gab es noch ein paar Tempel – aber alles weit verstreut.

12 km von Pamukkale entfernt liegt eine noch so gut wie unbekannte Ausgrabungsstätte: Laodicea. Auch wir wären an dieser vorbeigefahren, hätten wir nicht den Tipp von Thomas‘ Papa bekommen der vor Jahren schonmal einen Blick auf das Gelände werfen konnte, als es noch nicht einmal eröffnet war (Thomas‘ Papa entwickelt Messtechnik für die Textilindustrie und war viele Male im naheliegenden Denizli, da dort eines der Textilindustriezentren der Türkei ist). Das günstige Ticket gab es direkt beim Pförtner und der kleine Parkplatz lag direkt vor der Ausgrabungsstätte. Neben uns gab es nur noch eine handvoll Besucher die über die riesige Ausgrabungsstätte liefen. In der Mitte spannte sich eine lange gepflasterte Straße an deren Seiten normale Wohnblöcke sowie Tempel standen. Von den Wohnblöcken konnte man noch die Grundmauern sehen, im Tempel gab es einen interessanten Glasfußboden der das darunterliegende Gewölbe zeigte. In einem schmalen Gebäude welches mit einer großen Plane überdacht war standen zwei Archäologen – eigentlich wollten wir nur fragen ob es möglich ist ein Foto zu machen, doch sie luden uns gleich ein einmal hinein zu kommen. In mühseliger Puzzlearbeit setzte der Eine kleine Steinstücke wieder zusammen, die am Ende Wandfliesen ergaben. Der Andere war dabei den Fußboden wiederherzustellen – was für eine Arbeit.

Am anderen Ende der Ausgrabungsstätte konnten wir beobachten, wie gerade eine Säule mit einem großen Kran auf einen Sockel gehoben wurde – das Ganze dauerte ziemlich lange, war aber auch irgendwie spannend – live dabei bei den Ausgrabungen. An anderer Stelle wurde gerade eine Mauer ausgegraben – oder eine Straße: war für uns nicht ganz ersichtlich. Auf jeden Fall wurde uns so bewusst, wie viel Arbeit es wohl kosten muss eine ganze Stadt wieder auszugraben und herzurichten – wer weiß was sich noch alles unter den großen Wiesenflächen befindet?

Wir haben vorerst genug von alten Steinen und fahren weiter Richtung Ankara – hoffentlich wartet schon in der Hauptstadt das Usbekistan Visum auf uns.

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