22.04.2018 – Erzurum: die letzte Großstadt im Nord-Osten der Türkei. Wir trafen früh am Morgen ein und begaben uns direkt zur Iranischen Botschaft. Diese liegt im Erdgeschoss eines Wohnhauses und ist im Vergleich zu den bisherigen Botschaften erstaunlich geräumig. Im Empfangsraum gibt es Sitz- und Schreibgelegenheiten gegenüber zweier Schalter, hinter denen die Mitarbeiter sitzen, im Fernseher läuft zunächst auf Persisch eine Kriegsdokumentation, dann wird auf eine englischsprachige Nachrichtensendung umgeschaltet. Auch diese zeigt einen Vorgeschmack auf das Land: die Nachrichtensprecherin ist in eine schwarze Robe gehüllt und nur ihr Gesicht ist sichtbar und der Inhalt der Nachrichten zeigt deutlich die politischen Ansichten der iranischen Führung. Nachdem unsere Unterlagen gesichtet wurden, geht es zur Bank, diesmal müssen wir 75€ pro Person einzahlen (die Bezahlung mit EUR ist schon merkwürdig, sonst sind USD üblich, aber wahrscheinlich mag man die Währung des politischen Gegners nicht). Mit der Quittung geht es zurück und kurz darauf haben wir unser Visum für 30 Tage Iran im Pass. Wunderbar.
Im Stadtzentrum fällt auf, dass mehr Frauen verhüllt sind als noch in Istanbul oder Ankara – vielleicht ist es die Nähe zum Iran oder die Entfernung zu den westlichen Metropolen, die hier den Einfluss machen. Wir werden von einem türkischen Rentner angesprochen, der 40 Jahre in München gearbeitet hatte und jetzt zurückgekehrt ist. Die Einladung zum Tee nehmen wir gerne an und er erzählt aus seinem Leben als Schneider, wie er damals in Deutschland auf wilden Partys war, aber heute jedoch als alter Mann nach dem Koran lebt und 5 mal am Tag betet („jetzta simma brav“, sagte er immer). Für uns ist es interessant, dass selbst nach so langer Zeit im Ausland die Bindung zu seinem Heimatland größer ist und er wieder zurückgezogen ist – aber in der Türkei kann man auch wesentlich besser von der deutschen Rente leben als im teuren München. Noch zwei weitere Männer sprechen uns an und erzählen kurz, dass sie einmal in Deutschland gearbeitet haben, oder ihre Verwandten immer noch dort sind.
Im Stadtzentrum gibt es neben einer Festungsanlage eine schöne Koranschule und mehrere Moscheen. Die Koranschule ist wie eine kleine Burg: am großen Innenhof reihen sich auf zwei Etagen die kleinen Zellen der einstigen Schüler auf – es gibt nur ein kleines Fenster zum Innenhof, nach Außen ist alles abgeschottet.
Uns zieht es wieder in die Berge: kurz bevor wir auf eine Offroadstrecke abbiegen erwartet uns im Bergdorf Camliyamac noch eine Besonderheit: ein Kloster aus dem 9. Jahrhundert. Die halb-verfallene Anlage wirkt zwischen den niedrigen Dorfhäusern ziemlich deplatziert und scheint heute nur noch von den Dorfkindern als Spielplatz genutzt zu werden. Eben diese waren auch da als wir ankamen und umkreisten uns permanent mit ihren Fahrrädern während sie lachend „hello, what‘s your name“ riefen.
Auf einer schmalen Piste ging es in vielen Kurven hinauf in die Berge bis auf 2300m, hier pfiff der Wind und es war richtig kalt im Auto – der Schlafsack muss in der Nacht wieder herhalten. Obwohl eigentlich kein Schnee mehr liegt, hält er sich hier und da noch in Spalten und an den Nordhängen und so kommt es, dass uns eine alte Schneelawine die Strecke versperrte. Kein Problem: wir haben zwei Spaten dabei, aber der Schnee ist härter als gedacht und wir kommen doch ganz schön ins Schwitzen. Als wir fast fertig sind, wirft Thomas einen Blick zurück aufs Auto und erschrickt: als hätten wir nicht schon genug, ist anscheinend während wir standen die Luft aus dem Vorderreifen entwichen. Zunächst sehr verärgert darüber, dass alles auf einmal passiert, bemerkten wir aber schnell dass es nicht besser hätte laufen können: Beim Offroad-Fahren merkt man, da es ohnehin recht rau zugeht, erst viel zu spät wenn ein Reifen platt ist. Fährt man länger als 30-40 Meter mit einem völlig platten Reifen, ist dieser meist komplett kaputt (und unsere Reifen sind teuer). Dadurch dass die Lawine uns den Weg versperrte, ist die Luft aber während unserer Schaufelaktion entwichen und wir sind keinen Zentimeter mit plattem Reifen gefahren. Eine der wenigen geraden Stellen der ganzen Strecke, an der wir den Reifen ordentlich wechseln können, befand sich genau hinter der Lawine. Wir bekommen irgendwie das Gefühl, dass diese Lawine mit Absicht dort lag. Die Prozedur des Reifenwechsels ist ziemlich aufwendig und kraftraubend und so blieben wir danach an Ort und Stelle für die Nacht stehen: wir schienen ja eh die Ersten auf der Strecke in diesem Jahr gewesen zu sein.
Wir treffen wieder auf die Zivilisation, zumindest so halb: die Piste führt durch ein Bergdorf dessen Straßen eher für kleine PKWs ausgelegt sind und es fällt uns ziemlich schwer durchzukommen. Danach erwartet uns eine aufgeweichte Schlammpiste auf der wir gefährlich rutschen – wir freuen uns bald wieder auf die Asphaltstraße zu kommen. Es sind auch nur noch 4km bis zur Abzweigung auf die asphaltierte Landstraße, als vor uns ein unüberwindliches Hindernis auftaucht: die schmale Piste wurde gerade betoniert, wobei beide Spuren gleichzeitig immer wieder mit frischem Beton gegossen wurden. Dieser Prozess schien schon mehrere Wochen zu dauern und sich wohl auch noch ebenso lang hinzuziehen, aber unser Problem war, dass diese Strecke die einzige auf unserer Karte war und der Rückweg mindestens einen Tag bedurfte. Mit Händen und Füßen unterhielt sich Thomas mit den Bauarbeitern und erfuhr, es gäbe wohl noch eine andere Strecke, weiter oben in den Bergen die auch zur Asphaltstraße führte und so machten wir uns auf die Suche. Natürlich ohne Beschilderung, folgten wir auf gut Glück der am meisten befahrenen Abzweigung und nach nur einmaligem Verfahren landeten wir auch tatsächlich auf der richtigen Piste – so froh eine olle Landstraße zu sehen waren wir schon lange nicht mehr.
Die weitere Strecke verläuft entlang des Coruh Flusses der in einem schmalen Tal aufgestaut wird – wir vermuten die ehemalige Strecke verlief weiter unten, denn wir fahren durch jede Menge dunkler Tunnel und bekommen nichts mit von der schönen Landschaft. In der Bergstadt Artvin suchen wir zunächst eine Autowerkstatt auf um den Reifen zu flicken (im Gegensatz zu normalen PKW haben wir einen Schlauchreifen, d.h. wenn wir ein Loch haben, kann man den Schlauch einfach flicken, ähnlich wie beim Fahrrad). Beim Warten gibt’s ein Tässchen Tee, wie immer in der Türkei. Nachdem wir unsere Essensvorräte wieder aufgefüllt haben geht’s auch schon wieder auf die nächste Bergpiste. Die vorgesehene Runde können wir nicht fahren, da uns auf ca. 2100m der erste Schnee begegnet und es noch bis auf 2400 gehen würde. Die Fahrt geht einmal vom Frühling im Tal zum Winter mit verschneiten Bäumen und wieder zurück. Auf der gesamten Strecke wurden gerade riesige Rohre verlegt: eine neue Wasserleitung (überall lagen noch Reste von Sprengschnüren und leere Kartons von Dynamit-Stangen herum, sowie noch nicht verbaute Leitungsteile). Auf unserem Rückweg ins Tal ist gerade die Straße dafür aufgegraben und für den gesamten Tag unpassierbar. Doch auch hier gibt es eine Lösung, der sehr gut Englisch sprechende Bauleiter erklärt uns eine Alternativrunde – diese ist wesentlich einfacher zu finden als beim letzten Mal und wir schaffen es gut zurück auf Asphalt.
Dank dem Bauleiter erfuhren wir auch, dass der von uns angedachte Grenzübergang nach Georgien kein Offizieller ist und so fahren wir etwas weiter in den Norden um direkt am Schwarzen Meer die Grenze zu passieren. Dort herrschte verkehrstechnisch etwas Chaos und obwohl eigentlich nicht viel los war, dauerte der Übergang auf türkischer Seite fast 2 Stunden. Die anschließende Einreise in Georgien war in wenigen Minuten erledigt.