09.06.2018 – Unser Visumsantrag für dieses Land zog sich über 2 Monate und 4 Länder, immer wieder gab es ein Problem, so dass wir erst wenige Tage vor Einreise endlich das Visum im Pass hatten. Doch auch die Grenzkontrolle vermittelte uns den Eindruck, dass Touristen hier unerwünscht sind. Zu den 110 USD für die beiden Visa kamen weitere 24 USD Eireisegebühr (davon 4 USD für das Ausstellen der Quittung!) und als Krönung stufte man unser Auto nicht zur Kategorie PKW oder Bus, sondern als „LKW bis 10t“: weitere Kosten von 225 USD (die genauen Kosten schlüsselte man sogar auf: 50 USD für die Einreise, 50 USD für die Benutzung der Straßen, 40 USD für eine Brücke, Versicherung, Dieselsubvention, …) Das macht insgesamt 359 USD für ein maximal 5 Tage gültiges Transitvisum: das mit Abstand teuerste Land auf unserer Reise.
Neben einer kleinen Gesundheitskontrolle, welche aus dem Messen der Temperatur und der Frage, ob es einem gut ginge bestand, war Franzi schnell durch die Grenzkontrolle. Thomas hingegen musste sich erst mit den Geldeintreibern und dann mit der Autoinspektion rumschlagen: 5 Beamte inspizierten jede Kiste – auch wenn sie noch so verstaubt und in der hinteren Ecke des Autos mit Klebeband umschlungen war musste diese geöffnet werden.
In den vielen Räumen die Thomas in der Grenze durchlaufen musste, prangte überall das Portrait des Präsidenten. Jedoch in einer Version, die man als Komödie einstufen könnte, wenn man nicht wüsste, dass dies der Ernst ist: im Arztzimmer hängt ein Bild vom Präsidenten in Arztkleidung, beim Zoll eins in Polizeiuniform und bei der Armee eins in Militärkleidung und auf einem Übungsplatz. Die Bilder sind jedoch nicht Echt, wahlweise wurde entweder der Kopf des Präsidenten per Photoshop in ein Bild eingefügt, oder aber die Kleidung wurde auf ein Bild des Präsidenten hinter seinem Schreibtisch drauf-geshopt. Das Ganze mit derart schlechten, pixligen Übergängen, dass man es sofort als Fake erkennt. Solche Portraits sollten uns im Laufe der Reise noch oft begegnen, manchmal riesig groß an Häuserwänden – Präsident mit Hunden, Pferden, Kindern, in der Moschee, auf dem Fahrrad, … – der Präsident kann und macht einfach alles.
Und damit man als Tourist ja nichts Unbesonnenes tut oder etwa von der vom Grenzbeamten festgelegten Fahrroute abweicht, gab es einen GPS-Tracker (den man übrigens selbst mit 5 USD bezahlen musste) als Muss dazu – die Batterie hielt natürlich nicht mal einen Tag, so dass man diesen bitte immer schön laden durfte.
Unsere deutsche Bekanntschaft aus dem Iran, die Tramper Steffi und Simon, waren durch die Grenze ohne Auto wesentlich schneller durch – aber sie durften nicht nach der Grenze loslaufen und hoffen mitgenommen zu werden, sondern hätten in den Bus steigen müssen. Grund hierfür war, dass die folgenden 35km Sperrgebiet waren, hier durfte man weder anhalten noch Fotos machen. So fuhren wir auf den ersten 35km durch unbewohntes grünes Hügelland, hier und da sahen wir Gazellen und Pferde sowie in kurzen Abständen Kameras, die die Straße überwachten.
Wir kamen kurz vor der Hauptstadt Ashgabat an das Grenztor des Sperrgebietes: Pässe sowie die Fahrzeugpapiere wurden in einem riesigen Buch handschriftlich notiert und dann waren wir „frei“ das Land schnellstmöglich zu verlassen.
Schon von Weitem konnten wir den leuchtend weißen Marmor der Hauptstadt erkennen – der erste Präsident Turkmenistans hatte alle Neubauten der Stadt mit diesem verkleiden lassen. Nach dem Grenztor fuhren wir auf breiten gepflegten Straßen der Stadt entgegen– es war fast kein Auto unterwegs und wir fühlten uns nach dem belebten Iran plötzlich sehr einsam. Auch in der Stadt sehen wir kaum Verkehr oder Fußgänger und sind bei unserer Besichtigungsrunde so gut wie allein. Die Normalbevölkerung ist so arm, dass sich kaum jemand ein Auto leisten kann. Etwas später fuhren wir auf einer 12-spurigen innestädtischen Schnellstraße – komplett allein, niemand außer uns benutze die Straße.
Wir beginnen mit dem Unabhängigkeitsmonument: ein hoch aufragender Turm auf einem breiten Sockel umgeben von sprudelndem Wasser – zwar liegt Ashgabt im „Grünstreifen“ des Landes, doch eigentlich ist Wasser zu kostbar um es so zu verschwenden. Vielleicht ist das ja auch der Grund, dass nur die Anlagen auf der Vorderseite des Monuments funktionieren, dahinter ist das Wasser abgestellt.
Selbst eine einfache Fußgängerunterführung ist hier ein schick beleuchtetes Konstrukt aus Marmor – doch ohne Verkehr oben drüber eher unnütz. Wir laufen zu einem gigantischen Dreiergespann von Musikzentrum, Kulturzentrum und Bibliothek – immerhin sehen wir hier die ersten Leute. Die Anlage liegt erhöht und wir haben einen guten Ausblick auf die vor uns liegende Allee mit ihren Marmorbauten – neben dem Material ist eines Allen gemein: sie sehen leer und unbewohnt aus, so als wären sie nur eine Staffage in Disneyland.
Auf unserer weiteren Stadtrundfahrt kommen wir an den verschiedensten Denkmälern vorbei – bis auf ein paar Gardisten sind wir die Einzigen vor Ort. Dazwischen ziehen sich endlose weiße Wohntürme. Da ja alles aus Marmor ist, mussten sich die Architekten anders behelfen um ihre Gebäude abzuheben: so sieht das Bildungsministerium aus wie ein aufgeschlagenes Buch und das Außenministerium trägt eine riesige Weltkugel über dem Dach – irgendwie auch witzig.
Wir setzen unsere Begleiter in der Altstadt ab, wo sie ein Hostelzimmer suchen wollen – hier stehen die alten sowjetischen Wohnblöcke und wir sehen die ersten Geschäfte: anscheinend wohnt hier der normale Städter.
Die Währung Turkmenistans ist Manat – offiziell bekommt man bei der Bank für 1 USD – 3,5 Manat, der Schwarzmarktkurs hingegen liegt bei 1:20 (da verliert man doch endgültig die Lust an diesem Land). Wir hatten uns noch auf iranischer Seite mit Bargeld eingedeckt, so auch unsere Begleiter. Im Hotel erwartete sie jedoch eine böse Überraschung: angeblich dürfen Touristen nur mit USD bezahlen und zudem die gleiche Summe wie Einheimische in Manat – das wurde den Beiden zu bunt und so stiegen sie wieder zu uns ins Auto. Wir verließen diese merkwürdige Stadt und schlugen den Weg nach Osten ein. Eine große Routenauswahl gab es nicht, nur zwei Strecken führen in das Nachbarland Usbekistan. Zudem mussten wir uns schon zur Beantragung des Visums für eine Route entscheiden und wählten die Kürzere durch den Osten des Landes.
Wir kommen durch Landwirtschaftsgebiete, doch überall wo nicht bewässert wird scheint der Boden vertrocknet zu sein. Unser erstes Nachtlager schlagen wir abseits der Hauptstraße an einem Fluss auf – das Wasser ist so dreckig wie die ausgedörrte Erde drum herum – schade, denn ein Bad wäre bei den Temperaturen wirklich toll gewesen.
Wir besuchen die Ruinen von Abywert, aber neben halb verfallenen Lehmmauern ist nicht viel zu sehen – das Beste hatten einst die Russen mitgenommen. So erreichen wir ohne weitere Stopps am Nachmittag Mary und verabschieden uns diesmal wirklich von unseren Mitfahrern – es war eine schöne Zeit und wir hatten tolle Gespräche miteinander. Wieder zu zweit machen wir uns auf endlich mal wieder etwas ordentliches zu essen: Pizza. In einem kleinen Gartenrestaurant werden wir fündig, dazu gibt es durch Verständigungsprobleme für jeden zwei Vorsuppen (eigentlich wollten wir einfach jeder eine Andere), einen Schaschlikspieß und leckeres Brot. Am Ende sind wir mehr als satt und haben noch nicht mal die Pizza geschafft, das alles kam inkl. Getränke 81 Manat – 4 USD dank gutem Wechselkurs (oder 21 USD nach Offiziellem).
Mary sieht größtenteils wie eine normale Ostblockstadt aus, nur hier und da glitzert ein Marmorbau, der alte Präsident steht vergoldet auf einem Podest und den Neuen sieht man groß auf Plakaten abgebildet. Der neue Präsident war übrigens der Zahnarzt des alten Präsidenten. Der Neue gilt als etwas gemäßigter als der Alte (so hob er z.B. die Schulzeit von 6 auf 9 Jahre wieder an, nachdem der Vorgänger sie abgesenkt hatte um mehr Geld für Marmorpaläste zu haben) – jedoch ist das höchstens im Vergleich zu noch Schlechterem ein Fortschritt. An sich ist das Land eine astreine Diktatur mit Führerkult – Thomas kannte das Land sogar aus der Vorlesungsreihe „Autokratien und Diktaturen“ seines Politikstudiums, in dem es als besonders bizarres Beispiel diktatorischer Selbstglorifizierung behandelt wurde. Per Gesetz ist Meinungsfreiheit im Land erlaubt, aber nur solange man die gleiche Meinung wie der Präsident hat. Den Präsidenten zu kritisieren ist eine schwere Straftat, politische Opposition unmöglich. Es verwundert daher kaum, dass Turkmenistan auf dem Pressefreiheitsindex auf Platz 178 von 179 landet (direkt vor Nordkorea).
Das Gebiet des heutigen Turkmenistan hat eine lange Siedlungsgeschichte vorzuweisen. Im Laufe der Zeit kamen verschiedene Völker, errichteten ihr Reich und wurden von Invasoren wieder zerstreut. Heute kann man zwischen ausgedorrter Erde die Reste einer einstigen, mächtigen Oasenstadt erblicken: Merv. Durch ein ausgeklügeltes System an unterirdischen Kanälen konnte die Stadt zu einem bedeutenden Zentrum der Seidenstraße wachsen. Doch wie so viele wurde die Stadt durch einfallende Horden zerstört und mit ihr das Wissen um die lebenswichtigen Kanäle. Heute sieht man nur noch verschieden stark erodierte Lehmmauern – die einst mächtigen Stadtmauern bilden Wälle in der sonst flachen Landschaft.
Je weiter man sich von der Hauptstadt entfernt, desto desaströser wird der Straßenzustand. War es am Anfang noch eine doppelspurige Straße mit einem Trennstreifen, fällt bald eine Seite davon weg – sie ist zwar sichtbar einmal angelegt worden, doch befahrbar ist nur jeweils eine Fahrspur. Danach beginnen langsam die armenischen Zustände: große Löcher und Bodenwellen machen das Fahren zu einer Tortur. Der Präsident nimmt eigentlich die kompletten, durchaus großen Staatseinnahmen (hauptsächlich aus Öl- und Gasvorkommen) entweder für sich privat oder für den Aufbau seiner Hauptstadt – außerhalb dieser Stadt beginnt eine andere Welt. Einer kleinen Oberschicht in der Stadt geht es gut, der Rest des Volkes ist sehr arm. Schade, denn gerade durch den Ölreichtum könnte es dem gesamten Volk gutgehen.
Wir hatten zu viel Geld getauscht, da das Tanken mit 6 Cent pro Liter (1,35 Manat / l) sehr günstig war. In Turkmenabat, der letzten Stadt vor der Grenze, wollten wir daher einfach das Geld in Lebensmittel stecken. Zunächst war es schwierig überhaupt einen Supermarkt zu finden, am Ende gab es nur einen kleinen Laden ohne Preise. Also hieß es wie immer nachfragen, wenn nötig für jedes Produkt einzeln – aber so weit kam es erst gar nicht. Für eine einfache Cola wollte die Verkäuferin 75 Manat – als wir Essen waren kam die Flasche nur 17: also eine unglaublich freche Preisforderung (vermutlich nur weil wir Ausländer waren). Auf so einen Mist ließen wir uns nicht ein und tauschten das Geld einfach wieder um – vor dem hiesigen Markt gab es jede Menge Geldwechsler mit dem gleichen guten Wechselkurs wie im Iran.
Auf dem Weg zur Grenze gab es wieder einen Vorposten: die Pässe wurden wieder in eines dieser mysteriösen riesigen Bücher eingetragen. Danach ging es auf einer neu angelegten Straße in großem Bogen um das letzte Dorf bis hin zur Grenze. Doch selbst bei neuen Straßen darf man nicht unachtsam sein: zwischen dem Straßenniveau und einer kleinen Brücke gab es eine Kante von rund 10cm – ohne Warnung. Bei gemütlichen 70km/h ist das ein ganz schöner Schlag.
Nächster Checkpoint Grenzzaun – wieder werden die Pässe kontrolliert und aufgeschrieben (in das nächste mysteriöse große Buch) und wir via Walkie-Talkie der richtigen Grenze angekündigt. Und wer weiß was auf den 500m alles passieren kann, doch bevor wir das Grenzgebäude erreichen gibt es eine dritte Passkontrolle, diesmal ohne Buch.
Das Grenzgebäude war überfüllt von wartenden Menschen, alle hatten riesige Mengen an Dingen dabei – aber es ging nicht voran. Es gab keine Ausschilderung und uns schien es, als wären die Grenzbeamten völlig mit unserer Anwesenheit überfordert. Keiner sprach Englisch, wir wurden hier hin und dorthin geschickt, da die Abgabe eines Dokumentes, dort noch eine Passkontrolle, ach ja das GPS Gerät – dazu brauchte es wieder den nächsten Verantwortlichen. Dazwischen saßen wir sehr viel rum und hofften, dass es irgendwie weiter ginge – irgendwann war alles vorbei und wir durften fahren, natürlich kam nochmals eine Passkontrolle zum Schluss.
Die Einfahrt nach Usbekistan sah nicht sonderlich geordneter aus, als die des Nachbarlandes, doch zumindest war hier die allgemeine Stimmung wesentlich positiver gegenüber Touristen und wir freuen uns wieder in ein vernünftigeres Land zu gelangen. Politisch jedoch sind wir auch hier in einer Diktatur, mit Platz 164 macht sich auch Usbekistan um die Meinungsfreiheit nicht berühmt.