18.06.2018 – Im LKW-Gedränge verpassten wir glatt die erste Passkontrolle des Landes – aber kein Problem. Wie so oft fehlte es an jeglicher Beschilderung an der Grenze, überall stehen LKWs und so gehen wir davon aus, dass die Durchfahrt ganz links – wo keiner steht – für PKWs ist: war wohl falsch geraten. Danach zeigten uns Beamten den richtigen Weg zur Passkontrolle. Wir stehen in einer großen, leeren mit Marmor verkleideten Halle, es ist angenehm kühl und nichts los. Wir sind die ersten am Schalter und auch bei der Autoregistrierung kommen wir sofort dran. Ein putziges Hündchen wird einmal zur Schiebetür ins Auto gereicht zur Drogenkontrolle, der Beamte war ganz begeistert von unserem Kühlschrank und der Spüle. Zum Schluss durchforstet er noch Franzis Smartphone und schaut sich einen Comedy-Werbeclip zur Bundestagswahl an, welches er darin gefunden hatte. Thomas fragt nach was er den suche: „Pornographie“.
Nach der Grenze erwartete uns eine geschäftstüchtige Männergruppe, doch der Wechselkurs war schlecht, die Autoversicherung zu teuer und das Simkarten-Angebot auch nicht gut – da fuhren wir doch lieber weiter.
Am ersten Morgen im neuen Land wurden direkt von der Polizei geweckt. Einer der Beiden sprach gebrochenes Englisch und stellte sie als Polizisten vor – das war auch nötig, kamen sie doch im Jogginganzug und einem zivilen Auto. Auf die Frage „wo wohnen Sie“ antwortete Thomas „in Deutschland“ – das hatten sie wohl nicht erwartet und nach einem kurzen Blick in die Pässe waren wir sie wieder los.
Über holprige Straßen gelangen wir nach Buchara und checken in einem Hostel ein – doch bevor wir die Stadt erkundigen nutzen wir das verfügbare Wlan ausgiebig (seit dem Iran waren wir auf Internetentzug). Normalerweise nutzen wir Hostels allenfalls zum Duschen und Wäschewaschen – hier war aber noch weiterer Aspekt wichtig: in Usbekistan muss man sich (eigentlich) mindestens alle 3 Tage beim Migrationsamt registrieren lassen, was man aber nicht selbst sondern nur über ein Hotel / Hostel machen kann. Auch eine Möglichkeit Devisen ins Land zu bekommen, denn Hotels kann man als Ausländer per Gesetz nur in USD und nicht in der Lokalwährung Som bezahlen.
Den Mittelpunkt der Altstadt Bucharas bildet das Labi Chaus Wasserbecken – heute nur Dekoration, doch früher lebensnotwendig. Denn in die verwinkelten Gassen konnte/wollte man keine Wasserleitungen legen und so gab es nur diese großen Wasserbecken von denen aus das Wasser um Wohnhaus getragen werden musste. Zu Sowjetzeiten wurde dieses System abgeschafft und die meisten Becken zugeschüttet – das Wasser war voller Krankheitserreger.
Neben dem Becken erheben sich die Medrese Nadir Devonbegi und Medrese Kukeldash – beide sind mit Krimskrams für Touristen gefüllt. Erstaunlich für uns, die wir die letzten Wochen im Iran fast garkeine Touristen gesehen hatten, gab es hier jede Menge Reisegruppen und die gesamte Innenstadt war eigentlich nicht durch Einheimische bevölkert, sondern nur für Touristen ausgelegt. Das bunte, lebendige Markt- und Stadttreiben das wir im Iran so liebten, gab es hier nicht.
Vorbei ging es an der Chanaka Pilgerunterkunft und der Magoki Attari Mosche – heute Teppichmuseum. Hier fehlte dem einst bunten Eingangsportal die oberste Schicht und man konnte den Aufbau darunter begutachten – auch sehr interessant.
Früher war die Stadt ein wichtiger Handelsknotenpunkt und es gab für die verschiedenen Gewerke ganze Basarstraßen. An ihren Kreuzungspunkten wurden große Kuppeln gespannt, die sich bis heute erhalten haben. Doch findet man heute im Toqi Sarfaron oder dem Toqi Telpafurushon Basar anstatt Geldwechsler und Mützenhändler wieder die typischen Touristenläden.
Im Architekturteil des Reiseführers lernten wir das „Augenbrauenprinzip“ kennen – dies bedeutet das sich zwei Fassaden symmetrisch gegenüberstehen, was wohl sehr erstrebenswert bei den damaligen Baumeistern war. So wurde es auch bei der Abdulasis Khan Medrese und Ulug Beg Medrese ausgeführt – der Platz dazwischen war nur fast schon zu schmal um die hohen Fassaden betrachten zu können.
Eines der wichtigsten Wahrzeichen der Stadt ist das Kalon Minarett aus dem 12 Jahrhundert. Dies soll mit seinen 45m Höhe schon Dschingis Khan beeindruckt haben, so dass er es bei seinem Eroberungszug der Stadt stehen ließ. Eingerahmt wird das Minarett links und rechts durch die Medrese Miri Arab (immer noch in Benutzung) und die Klon Moschee. Das Ende unserer Runde bildet die Zitadelle „Ark“ – ihre mächtigen Mauern strahlen auch heute noch Macht und Stärke aus. Interessant ist, dass sich hinter den Mauern ein aufgeschütteter Hügel befindet – so stehen die wichtigen Regierungsgebäude erhöht vom Rest der Stadt.
In Usbekistan ist es, wie zuvor schon in Georgien und Armenien, Pflicht eine lokale KFZ-Haftpflichtversicherung zu haben (d.h. unsere weltweite Versicherung wird hier bei Kontrollen nicht akzeptiert, auch wenn sie eigentlich zahlen würde und eine weitaus bessere Deckung hat). So nutzten wir die Stadt auch um eine Versicherung abzuschließen: kostet 2,50 EUR. Ob sie im Ernstfall tatsächlich zahlen würde bezweifeln wir stark – aber dafür haben wir ja unsere internationale Versicherung.
Um der Hitze zu entkommen fahren wir zum To´dako Reservoir – ein großer See an dessen Ufer ein laues Lüftchen wehte und das Plätschern der Wellen uns sanft in den Schlaf wiegte. So waren wir gut ausgeruht, um die Fahrt durch die nachfolgende Wüste aufzunehmen. Immerhin waren hier die Straßen und Wege so selten befahren, dass wir wesentlich besser vorankamen, als auf den Hauptstraßen. Wir treffen auf einsame Lehmhütten, Ziegenherden ohne Hirte und auf jede Menge stillgelegter Ölpumpen. Am Ende gelangen wir in das Dorf Tim – hier steht das Mausoleum Arab Ata – dieses soll über 1000 Jahre alt sein und das erste überhaupt. Im Islam ist der Ahnenkult eigentlich verboten – überlegt man sich da welche Blüten die Anbetung von Gebeinen heute getrieben hat (siehe die Heiligenstätte z.B.in Qom, Iran), so scheint es unmöglich, dass dieser abseitsgelegene, unpompöse und vor allem unverehrte Bau der Anfang davon gewesen sein sollte.
Der weitere Weg auf den Hauptstraßen ist eine Katastrophe – viele hundert Kilometer über die Straßen, die mehr Löcher als Asphalt haben. Mit mehr wie 25-30 km/h kommt man nicht voran. Zermürbend.
Nach anstrengender Fahrt auf den kaputten Straßen stellen wir uns neben ein paar Betonruinen zum Übernachten. Ein Soldat, der gerade mit dem Bus kam, kommt zu uns und fragt warum wir hier stehen und ob wir nicht wissen was das für ein Gebiet wäre – wir erläutern ihm unsere Situation und er meint, für eine Nacht sei es ok – aber was das denn nun für ein Gebiet ist erklärt er nicht: wir sehen nichts Besonderes – hier und da ein Busch in karger Landschaft. Später am Abend kommt ein alter Mann auf seinem Esel vorbei und klärt uns auf: wir stehen mitten in einem Uran-Abbaugebiet – verständlich das man da eigentlich keine ausländischen Fahrzeuge parken lassen möchte.
Für die verbliebenen 70km bis Samarkand brauchen wir über 2h – nur die Hauptverbindungsrouten im Land scheinen annehmbare Verhältnisse aufzuweisen – sämtliche Landstraßen bröckeln Stück für Stück dahin.
In der Touristeninfo erhoffen wir uns Gewissheit über die Touristenregistrierung zu bekommen: eigentlich muss man sich als Tourist aller 3 Tage in einem Hotel registrieren lassen – was wiederum für unseren Urlaubsstil nicht einfach ist. Gerüchte jedoch behaupteten, dies sei seit wenigen Wochen auch in einer Touristeninfo möglich: doch hier vor Ort wusste die studentische Mitarbeiterin noch nicht mal das es eine Registrierung gibt und war uns keine Hilfe. Wir sollen am nächsten Tag noch einmal wiederkommen, dann sei die Chefin da. Am nächsten Tag war niemand da, obwohl eigentlich geöffnet hätte sein müssen. Wir fragten schließlich bei einem Hostel, ob wir nicht einfach so eine Registrierung bekommen könnten – aber auch das war nicht möglich. Hier jedoch bekamen wir den Tipp, dass auch einfache Kassenzettel als Möglichkeit der Nachverfolgung der Reiseroute gelten würden – aber ob das auch der Grenzbeamte bei der Ausreise so sehen würde?
Zunächst schoben wir diese Probleme beiseite und widmeten uns den bezaubernden Sehenswürdigkeiten der Stadt. Ein unvergleichliches Farbschauspiel bot sich uns auf dem Registanplatz: dieser ist durch drei reich mit Fliesen verzierten Medresen umgeben. Das gesamte Ensemble strahlt vermutlich heute mehr, als es das je im Originalzustand getan hat – in der Sowjetzeit wollten die Russen hier ihr Stück der Seidenstraße aufleben lassen und restaurierten etwas zu enthusiastisch.
Die westliche Seite des Platzes wird durch die älteste, die Ulugh Beg Medrese eingenommen. Der Auftraggeber war fasziniert von den Sternen und so ist der Grundton des Fließenschmuckes blau und reich mit Sternen verziert. Der Innenhof ist begrünt – aber belebt werden die Räume nur noch durch Verkäufer, in keiner der Medresen wird noch gelehrt.
Die Sherdor Medrese steht auf der östlichen Seite des Platzes und trägt wohl die faszinierendste Fassade: Ein Tiger jagt eine Hirschkuh, hinter ihm steht die Sonne mit einem menschlichen Gesicht darin. Im Islam ist es eigentlich untersagt Menschen oder Tiere im Zusammenhang mit dem Glauben abzubilden – daher wird diese Fassade als ein Machtspiel des Erbauers gegenüber der geistlichen Obrigkeit gewertet.
Die Nordseite und Mitte des Platzes nimmt die Tillya Kori Moschee ein. Von ihrem Innenhof gelangt man in eine Freitagsmoschee, welche großflächig vergoldet ist.
Auf dem Weg zur russischen Neustadt kamen wir am Amir Temur Mausoleum vorbei, hier krönte eine beeindruckende Melonenkuppel den Grabbau. Als Russland seine Macht ausweitete und die umliegenden Länder einnahm, brachten die Soldaten auch stückchenweise ihre Kultur mit in die Länder. Mit eines der ersten Gebäude welches in Samarkand errichtet wurde war eine Kirche – um die Gefallenen angemessen beerdigen zu können. Danach folgten die bunten Steinhäuser im russischen Kolonialstil – welche sich auch heute noch deutlich von den Gebäuden der restlichen Stadtviertel abheben.
Der Totenkult ist in islamisch geprägten Ländern stark ausgeprägt, fand aber in Samarkand nochmals eine neue Ausdrucksform in der Nekropolis. Hier reihten sich für verschiedene Persönlichkeiten aus der Geschichte kleine Grabkammern aneinander, die alle bunter und aufwendiger verziert waren als jegliche Moschee und Medrese die wir bisher gesehen hatten. Aber auch der normale Friedhof dahinter war interessant – denn auf ihm herrschte buntes Treiben. Vor allem Jugendliche boten ihre Dienste als Wasserträger an, um die Pflanzen der Gräber zu wässern.
Auf dem Rückweg machten wir noch einen kurzen Halt beim Basar – dieser war teils unter großen Dächern – hier schienen die offiziellen Händler zu sitzen. Doch davor im Freien waren nochmals genauso viele Leute die einfach ihre Waren aus großen Taschen anboten. Dazwischen wuselten die Stadtbewohner – dieser Markt war nicht für Touristen, sondern wirklich noch belebt.
In einem fruchtbaren Tal fuhren wir parallel der tadschikischen Grenze Richtung Osten um wieder ein paar Tage in der Natur zu verbringen. Unsere Versuche den Gebirgszug nach Norden zu überqueren gestalteten sich jedoch recht schwierig. Die auf unserer Karte eingezeichneten Wege waren schon lange nicht mehr in Benutzung und der Weg den wir schließlich fuhren war alles andere als dafür geeignet. Eigentlich gab es nur noch eine Motorradspur, doch wir schlängelten uns durch dichtes Gebüsch und tiefe Auswaschungen, absolut am Rande der Befahrbarkeit. Selbst als wir wieder auf eine tatsächlich von Autos befahrene Spur kamen war es noch nicht ausgestanden – wir sind deutlich höher als normale Autos. So wurde ein schmales Tal mit tiefhängenden Wallnussbäumen zu einem Spießrutenlauf für uns. Am Ende musste immer einer aussteigen und den Fahrer genauestens an den dicken Ästen vorbei lotsen und wenn nötig Äste mit dem langen Besenstiel zur Seite schieben.
Plötzlich scheinen wir eine unsichtbare Grenze überfahren zu haben, wir ließen das grüne Tal hinter uns und befanden uns inmitten einer braun-gelben Landschaft wieder. Dazwischen stehen windschiefe Wohnhäuser und nur die Stromleitung bezeugen das wir nicht in der Zeit zurückgereist sind.
In Tashkent, der eher sowjetisch geprägten Hauptstadt Usbekistans, wollten wir wieder in einem Hostel einkehren, um die Registrierung zu erhalten. Aber das war nicht mehr möglich, da seid der Letzten nun schon mehr als 3 Tage vergangen waren. Jetzt sind wir wirklich verunsichert und um einer größeren Strafe zu entgehen beschließen wir nach der Stadtbesichtigung schnellstmöglich das Land zu verlassen.
Im Stadtgkern fanden wir einen Parkplatz direkt neben der Kukeldasch Medrese – diese ist heute noch in Benutzung und so gehen wir weiter über den Chorsu Basar. Hier herrscht wildes Treiben unter bunten Sonnensegeln – von gefälschter Markenware bis zu günstigem Obst und Gemüse gab es einfach alles. Daneben gab es auch Basargebäude mit festen Ständen – so waren die Fleischanbieter unter einer großen Kuppel versammelt – aber die Kühlung schien nicht so gut zu funktionieren, denn es stank erbärmlich.
Durch ein ärmliches Wohnviertel gelangten wir zum Hast Imam Komplex mit Medrese und Moschee – die Anlage scheint verwaist. Für einen geplanten riesigen Moschee-Neubau wurden daneben große Flächen des Wohnviertels abgerissen, wir fragten uns, was wohl aus den Bewohnern geworden ist?
Um zum sozialistischen Stadtkern zu gelangen fahren wir ein Stück mit der U-Bahn – was schon an sich ein Erlebnis war. Zunächst mussten wir ein Ticket kaufen – das war ein runder Plastechip den man danach gleich wieder bei einer Durchgangskontrolle einwerfen musste. Die U-Bahnstationen waren unterschiedlich gestaltet – vielleicht diente hier die Moskauer-U-Bahn als Vorbild. Herz des sozialistischen Viertels ist der Amir Temur Platz: um den runden Park führt ein Autoring an dessen Außenseite der internationale Forumspalast sitzt. Der klobige Bau soll Millionen verschlungen haben und ist leider für Ausländer nicht zugängig. Daneben strebt das Hotel Usbekistan dem Himmel entgegen – verziert mit einem oft nachgeahmten Sonnenschutz-Gitter, eine Ikone sowjetischer Architektur. Durch den altehrwürdigen Universitätscampus ging es wieder zurück zur Metro und damit zum Auto.
Es ging weiter Richtung Südosten und über den einzigen Pass Usbekistans ins Ferganatal. Nach dem zweiten dunklen Tunnel sprang plötzlich vor uns ein vermummter Soldat auf die Straße und bedeutete uns Anzuhalten. Zunächst wussten wir nicht was er wollte – aber dann verstanden wir, dass er in den Smartphones nach Fotos schauen wollte: denn Fotografieren war in diesem Gebiet verboten. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass wir keine Fotos gemacht hatten, schenkte er uns ein goldiges Lächeln – trotz seines scheinbar jungen Alters war die komplette obere Zahnreihe vergoldet (gilt in Usbekistan als Schönheitsideal – sieht für uns grauenhaft aus). Wir durften weiterfahren – die normale Fotokamera und die Verkehrskamera die immer läuft blieben unbeachtet – für den jungen Soldaten war wohl klar, dass man nur mit dem Smartphone Fotos machen kann.
Das weitläufige Ferganatal ist besonders fruchtbar und für die Landwirtschaft wichtig, doch mit der Ungewissheit über die Registrierungspflicht im Nacken fuhren wir einfach durch und direkt zur Grenze. Seidenspinnerei hätte man sich hier normalerweise anschauen können.
Die Grenze war gut besucht, an die 100 Menschen warteten zu Fuß und vor einem großen Tor warteten 5 Autos. Da wir nicht wussten wie die Grenze funktioniert ging Franzi mit unseren Pässen an den Zaun – wahrscheinlich sprach die Farbe unseres Passes „Tourist“ denn ohne mit jemandem geredet zu haben wurde für uns (und nur für uns, alle anderen mussten weiter warten) das Tor geöffnet und wir hindurch gewunken. Die usbekischen Beamten waren ausgesprochen freundlich – wir wurden sogar bei der Passkontrolle vor die schon Wartenden gestellt – da waren wir dann doch peinlich berührt so bevorzugt zu werden. Und zu unserer großen Freude: keine Frage nach den Registrierungen.
Nach einem kurzen Blick ins Auto dürfen wir weiter und stehen plötzlich wieder im Niemandsland. Hier ist es jedoch nur ein schmaler Korridor von ca. 10m der uns von Kirgistan trennt.
Nach so viel Kultur erwartet uns in Kirgistan endlose Natur – wir freuen uns drauf.